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Der Duft der Mondblume

Der Duft der Mondblume

Titel: Der Duft der Mondblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Dreiecksflosse. Sie wälzten sich, kräftige braungebrannte Arme packten die lange graue Gestalt, tödliche Beißwerkzeuge blitzten momentweise über dem Wasser auf, der junge Mann versetzte den nahen bösen Augen einen Hieb und zog ein Messer aus dem Gürtel, mit dem er zustach und aufschlitzte, bis der Feind tödlich verwundet in die Tiefe sank. Mit dem Messer zwischen den Zähnen schwamm der junge Mann zum Strand, wankte ans Ufer und fiel mit seinem zerrissenen Lendenschurz in den Sand.
    »Schnitt!«
    »Wunderbar, toll. Rettet mal jemand den Hai, zum Donnerwetter.«
    Ein Mann in kariertem Hemd mit Strohhut und Megafon stapfte zum Sandstrand. Hinter ihm eine Gruppe von Leuten, Stromkabel im Sand, Scheinwerfer, einige segeltuchbespannte Stühle und auf einem dreibeinigen Stativ unter einem riesigen Schirm eine Filmkamera.
    Ein Mädchen rannte auf den jungen Mann zu und reichte ihm ein Handtuch. Er wischte sich damit übers Gesicht, und dunkles Make-up befleckte das Tuch. Als er den Strand heraufkam, grüßte ihn knapp der Star des Films, Ramon Navarro, der sich in einem mit seinem Namen versehenen Stuhl sonnte.
    »Du hast ihm dem Garaus gemacht, diesem Monster.«
    Der junge Mann lachte mit den anderen, während der Requisiteur den toten Gummihai auf den Sand zerrte.
    Die Arbeit war getan, der junge Mann duschte, spülte die aufgetragene Hautfarbe ab und wünschte sich, er könnte das künstliche Schwarz seiner Haare gleich mit entfernen. Im Geist überschlug er die Tage, die er gearbeitet hatte, und überlegte, dass die Arbeit zwar langweilig, aber leicht war und gutes Geld brachte.
    Als er sich wieder einmal gefragt hatte, woher seine nächste Mahlzeit kommen würde, war quasi ein Schutzengel zu ihm hinuntergestiegen, um ihn zu retten. Denn er hatte feststellen müssen, dass die Olympischen Spiele ihm zwar einigen Ruhm beschert, aber überhaupt kein Geld eingebracht hatten. So war er als Rettungsschwimmer an den Strand von Santa Monica zurückgekehrt, wo ihn irgendwann eine junge Frau mit einer teuren Kamera gefragt hatte, ob sie Fotos von ihm machen dürfe. Er hatte es zuerst für einen Annäherungsversuch gehalten. Mädchen und Frauen suchten oft einen Vorwand, um ihn kennenzulernen.
    Aber sie war ziemlich professionell gewesen, hatte ihn gebeten, vor dem Rettungsboot zu posieren, das Kinn zu heben und in die Ferne zu schauen, damit seine starke Kieferpartie und die Adlernase gut zur Geltung kamen. Dann bat sie ihn, in Schwimmshorts mit einem Surfbrett zu posieren. Der junge Mann hatte sich noch nie auf einem dieser Bretter versucht, die einige Leute mit an den Strand brachten. Jetzt aber lieh er sich ein schmales Brett aus Redwood, lehnte sich dagegen, legte es zum Spaß in den Sand und machte einen Handstand darauf.
    Er hatte gar nicht mehr an die Fotos gedacht, als das Mädchen wieder auftauchte, ihm eine Karte mit dem Namen eines Hollywood-Studios übergab und ihn bat, zu einem Casting zu kommen. Er empfand den Leinwandtest als befremdliche Erfahrung: zu posieren, sich hin- und herzudrehen, auf Anweisung eine Skala von Empfindungen zu zeigen. Aber was er tat, hatte ihnen anscheinend gefallen, denn nun spielte er hier in Cap Florida – die Haut mit Make-up nachgedunkelt, die Armmuskeln und den Körper eingeölt und die Haare schwarz gefärbt – einen Südseebewohner.
    Es ging um einen Missionar, der auf die Inseln kommt. Begleitet wird er von seiner anmutigen Tochter, gespielt von dem Stummfilmstar Alice Terry mit blonder Perücke. Sie verliebt sich in den hübschen Sohn des Häuptlings, Ramon Navarro. Allerdings macht ihr auch ein derber Barbesitzer den Hof, der seinem unfeinen Gewerbe abschwört, den Saloon schließt und dank ihres Vaters Erlösung findet. Sie erkennt, dass sie keinen der beiden Männer heiraten kann, und besteigt einen Dampfer zurück nach Amerika, womit sie dem Sohn des Häuptlings das Herz bricht. Er stürzt sich einen Wasserfall hinunter.
    Der junge Mann hielt die Handlung für ziemlich schwachsinnig, aber er spielte seine kleine Rolle, strich das Honorar ein und fuhr zurück nach Santa Monica.
    In den nächsten sechs Monaten wurde er immer wieder für andere kleine Rollen und einige Stunts ins Studio zurückgerufen. Er blieb unbeeindruckt von der seichten Filmwelt. Hätte er nicht das Geld gebraucht, hätte er sich dafür nicht einspannen lassen. Schwimmen und Training waren ihm so wichtig wie eh und je, und durch seinen Trainer im Club erfuhr er von einem neuen Gesundheitsprogramm.

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