Der Duft Der Wüstenrose
füreinander geschaffen. Das bezeugt die Heilige Schrift in 1. Mose 1: ›Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehret euch und füllt die Erde und machet sie euch dienstbar. Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.‹«
War das gut, was sie hier gleich tun würde, war das wirklich gut? Charlotte, flehte Fanny im Stillen, Charlotte, gib mir ein Zeichen, irgendetwas, damit ich sicher sein kann, dass wir das Richtige tun. Sie spähte zu Ludwig, der dem Geistlichen aufmerksam zuhörte und ganz offensichtlich davon überzeugt war, das absolut Richtige zu tun. Fanny sah wieder zum Pfarrer und versuchte ihm zuzuhören.
»Über die Gemeinschaft in der Ehe sagt Jesus in Matthäus 19: ›Gott, der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau und sprach …‹«
Seine eintönig vorgetragenen Worte verschwammen, während das Herzklopfen in Fannys Ohren immer lauter hämmerte. Sie richtete ihre Augen auf einen Löwenkopf, der direkt über dem provisorischen Altar hing, um sich zu konzentrieren. Der Löwe hatte Glasaugen in einem merkwürdigen Grün, das ihr bekannt vorkam. Minne, Mut und Glück. Sie hatte Mut. Ihr Mut hatte sie bis hierher gebracht. Wo wäre ich ohne Mut?, versuchte sie sich zu beruhigen. In Reutberg als eine von Seraphinas Sklavinnen. Ihr Blick glitt von den Löwen zu einem Elefantenkopf mit mächtigen Stoßzähnen. Sie fühlte sich wie in einem ihrer merkwürdigen Träume. Stoßzähne über dem Altar.
Der Pfarrer hatte sie etwas gefragt. Sie spürte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren, doch sie wusste nicht, warum. Sie war sicher, dass jemand in ihrem Rücken aufgestanden war und sie entlarvt hatte. Ihr Atem ging schneller. Sie musste sich umdrehen, sofort, auch wenn sich das Schlimmste als wahr herausstellen würde. Langsam und voller Angst wandte sie sich um.
Alle saßen noch auf ihren Plätzen, die meisten warfen ihr jedoch verwunderte Blicke zu. Dann drehten sie ihre Köpfe fragend zu ihren Sitznachbarn, manche schüttelten dabei den Kopf, und schließlich ging leichtes Raunen durch den Raum.
Fanny wandte sich wieder zum Pfarrer, flehte ihn mit ihren Augen an, sie zu erlösen, und er hatte ein Einsehen. »Willst du, Charlotte von Gehring, Ludwig Falkenhagen, den Gott dir anvertraut, als deinen Ehemann lieben und ehren und die Ehe mit ihm nach Gottes Gebot und Verheißung führen – in guten und in bösen Tagen –, bis dass der Tod euch scheidet, so antworte: Ja, mit Gottes Hilfe.«
Fanny sah hinüber zu Ludwig, dessen Augen feucht glänzten und der sie auffordernd ansah. Mut, Minne und Glück. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und dachte an Charlotte. Und dann sagte sie es:
»Ja, mit Gottes Hilfe.« Ludwig atmete erleichtert aus. Und wie ein Echo vernahm sie ein vereintes Aufatmen der Gäste.
»Gebt einander die Ringe als Zeichen eurer Liebe und Verbundenheit.«
Ehrenfels reichte Ludwig die Ringe. Ludwigs Hände bebten, als er Fanny den Ring über den Finger schob. Dann legte der Pfarrer seine Hände auf ihre beiden und sagte: »Was Gott zusammengeführt hat, soll der Mensch nicht trennen.«
»Nein, ganz sicher nicht. Niemals«, hörte sie Ludwig flüstern. »Wir gehören jetzt zusammen, für immer. Das schwöre ich bei Gott.«
5
F annys Befürchtungen, was die Fragen nach Charlottes Fa milie anging, erwiesen sich als nahezu unbegründet, nur Maria von Imkeller hatte Andeutungen über den Skandal in Charlottes Familie fallen lassen, doch ihr Ehemann Wilhelm hatte sie gehört und mit einem »Maria, ich bitte dich, wir sind hier nicht bei einem Verhör, sondern auf einer Hochzeit!« zum Schweigen gebracht.
Alle anderen Frauen hatten Fanny nur über die aktuelle Rockform in Berlin ausgefragt und nach den Hüten und Stoffen, die man jetzt in Paris trug. Es gab reichlich Melonen-Bowle, ein Getränk, das die Südwester den Engländern abgeschaut hatten. Außerdem wurde Fleisch für eine ganze Kompanie gegrillt, dazu gab es Brot und Bohnen.
Fanny fühlte sich mit jedem Melonenstück, das sie aus ihrem Bowleglas fischte, glücklicher und beschwingter. Und daran änderten auch die für sie reichlich mysteriösen Sprüche der immer betrunkener werdenden Männer nichts. Ludwig wurde unter anderem geraten, seine Zuchtstute gut einzureiten, das Loch gut zu ölen und nicht zu lange an der Tür zu
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