Der Duft Der Wüstenrose
nun, er wurde ermordet.«
»Ermordet, warum und von wem?« Fanny musste an den Richter denken und daran, dass er bei einem Mordfall in Keetmanshoop seine Luise kennengelernt hatte. Ob der Tote damals dieser Pete Random gewesen war, oder gab es hier womöglich dauernd Mordfälle?
»Der Mord an Random wurde nie aufgeklärt«, sagte Ludwig schnell, und es war offensichtlich, dass er das Thema wechseln wollte. Hastig ging er in den nächsten Raum. »Unser Schlafzimmer.« Er zeigte auf das breite Holzbett mit einem Kopfteil, das reich mit geschnitzten Engeln und Blumen verziert war. Über einem Eisengestell, das rund um das Bett aufgestellt war, hing ein gewaltiges Moskitonetz. Außerdem gab es noch einen großen, dreitürigen Schrank mit einem Spiegel in der Mitte und zwei breite Kommoden mit je drei Schüben. Fanny versuchte nicht mehr an den Mord zu denken, weil sie spürte, dass Ludwig Begeisterung für ihr neues Haus erwartete.
In der rechten Ecke befanden sich ein Marmor-Waschtisch mit einer großen, rosengeblümten Waschschüssel und einer dazu passenden Kanne aus Porzellan. »Wie schön und wie luxuriös!«, rang sich Fanny ab. »Und all das wurde mit Ochsenkarren herangeschafft?«, fragte sie. Ludwig nickte befriedigt.
Er führte sie wieder zurück zur Küche. »Hier geht es in meine Praxis.« Er lief von der Küche nach rechts, wo sich ein kleines Vorzimmer mit zwei Stühlen und einem kleinen Klappsekretär befand. Von dort gelangte man durch eine weitere Tür in Ludwigs Praxis.
Befangen blieb Fanny an der Tür stehen. Sie war noch nie bei einem Arzt gewesen, denn im Kloster rief man keinen Doktor, sondern behandelte alles selbst mit Heilkräutern.
Das kahle Zimmer wurde von einem gewaltigen Schreib tisch dominiert. In der Ecke stand ein furchterregendes Skelett, daneben gab es seitlich an der Wand eine Holzliege und einen abschließbaren Schrank mit Glasfenstern, hinter dem sich allerlei Geräte befanden, Sägen, Trichter, Hammer. Es erinnerte Fanny sehr an die Werkzeuge, die sie in der Tischlerei des Klosters gehabt hatten, nur waren diese hier etwas zierlicher. Außerdem befanden sich Gazestreifen, Wattespender und Desinfektionsmittel in dem Schrank. Neben der Liege stand eine derart große Lampe, wie sie Fanny auch noch nie gesehen hatte. Auf der Liege war ein großer Lederkoffer abgestellt. Solche Koffer kannte sie von den Hebammen in Reutberg, die manchmal im Kloster Kräuter für ihre Medizin gekauft hatten.
»Ist es nicht traurig, dass deine Eltern all das nicht mehr sehen können?«, fragte Fanny.
Ludwig errötete, was ihn ungewohnt schüchtern aussehen ließ und Fanny rührte. Er schüttelte den Kopf. »Nein, sie wären enttäuscht von mir. Sie waren immer enttäuscht. Sie wollten, dass ich Missionar werde. Alles andere war in ihren Augen nichts wert. Höchstens, wenn ich als Missionarsarzt in den Busch gegangen wäre, dann hätte ich ihnen etwas bedeutet. Aber das hier …« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich hatte einen älteren Bruder. Franz-Theodor. Er war klug, ausgesprochen fromm und konnte schon mit fünf die Bibel auswendig. Dabei war er sanftmütig und großherzig, er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun – kurzum: Er war ein echter Heiliger. Als er mit neun Jahren an Keuchhusten starb, war das für meine Eltern sehr bitter, und keines ihrer anderen Kinder reichte an ihn heran.« Ludwig zuckte mit den Schultern, als müsste er das schnell von sich abstreifen. Fanny hatte den Wunsch, ihn zu trösten. Es freute sie, dass er plötzlich so redselig war. Weder auf der Reise von Swakop nach Windhuk noch auf dem Weg hierher hatte er erwähnt, dass er einen älteren Bruder gehabt hatte.
Sie legte ihre Hand auf seinen Arm, aber er schüttelte sie ab, als wollte er das, was er zu sagen hatte, ohne Ablenkung hinter sich bringen.
»Die Medizin war für mich immer nur Mittel zum Zweck. Es bedeutet mir nichts, an kranken Leibern herumzudoktern, ja, ich finde sie abstoßend.«
Fanny war überrascht, dass er selbst aussprach, was sie nur vage vermutet hatte. Sie wollte ihn fragen, warum er dann überhaupt noch als Arzt arbeitete, aber er redete so schnell weiter, als wäre ein Damm gebrochen.
»Landbesitz ist das Einzige, was zählt und von Dauer ist. Das kann dir niemand mehr wegnehmen, und je mehr Land du hast, desto besser. Land macht dich unabhängig von allem und jedem.«
Zach streckte unvermittelt den Kopf zur Tür herein und meldete, dass das Bad für den Doktor bereit sei.
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