Der Duft Der Wüstenrose
Scham.
»Keine Angst, ich werde Ludwig nichts davon verraten, denn ich liebe meine Arbeit und brauche sie, um meine Familie unterstützen zu können.«
Er hat also Familie, dachte Fanny. Natürlich, warum sollte ein Mann wie er auch keine Familie haben? Sie seufzte unwillkürlich.
»Ach, und was diese wunderschöne Pflanze angeht, die unser aller Augen mit ihren Sonnen erfreut«, John deutete auf den grünen Blätterteppich mit den gelben Blüten, »nun, da wissen die Weißen auch wieder nicht alles. Die ohongwe ist keineswegs so schädlich, wie Ihr Mann behauptet hat.« Er reichte ihr eine gelbe Blüte, die er abgepflückt hatte. »Wir Zulu-Männer nehmen sie ein, wenn sich unser Speer nicht mehr oder nicht lange genug aufrichten will. Und das hilft so gut, dass die Zulu-Frauen immer glücklich mit ihren Männern sind.« Er lachte schallend und machte sich daran, sein Pferd zu den Rindern am Wasserloch zu führen.
Fanny, die erst jetzt verstand, was er mit dem Speer gemeint hatte, fühlte, dass ihre Wangen glühten. Sie schleuderte die Blüte von sich. Was fiel ihm ein! Wie konnte er es wagen, so mit einer verheirateten Frau zu reden!
Sie starrte wütend auf die Pflanzen, die ihr heute Morgen einfach nur schön vorgekommen waren. Morgenstern, Speer …
Nun, sie waren immer noch schön.
Fanny merkte, dass ihr Zorn sich legte und einem Lächeln Platz machte. Wie kindisch von ihr, so zu reagieren, wie absolut lächerlich. John hatte ihr nur die Freude an den Blumen zurückgeben wollen. Dann waren diese kleinen Sonnen also doch auch nützlich. Einen Augenblick lang dachte sie daran, das Ludwig zu erzählen, aber das wäre wohl keine gute Idee.
Ihre Beine zitterten, sie war noch schwach und setzte sich bequemer auf den Karren. Ihre Bluse war zum ersten Mal seit Tagen trocken, die Hosen aber immer noch feucht, nur das aufgeschnittene Stück Hosenbein flatterte im Wind. Er wehte stark und tat so ein Übriges dazu, alles zu trocknen.
Als Ludwig zurückkam, kletterte er zu ihr und setzte sich neben sie. Er untersuchte noch einmal ihr Bein und fühlte ihre Stirn. »Du hast es überstanden. Ich hoffe, du wirst nie wieder ohne Schuhe hier draußen herumlaufen.«
»Versprochen. Aber ich brauche feste Stiefel, so wie du sie hast.«
»In wenigen Stunden sind wir in Keetmanshoop. Dort wird sich alles finden. Dann hast du es geschafft.« Er lächelte sie so breit an, dass die Spitzen seines Schnurrbartes fast seine Augen erreichten. »Dann sind wir endlich zu Hause!«
9
E s hatte dann doch wieder geregnet, und sie waren erst am nächsten Morgen in Keetmanshoop angekommen. Als Fanny vor ihrem neuen Zuhause stand, wusste sie nicht, was sie dazu sagen sollte, obwohl es mit Abstand das größte und prächtigste Haus am Platz war. Doch genau das kam ihr seltsam vor, irgendwie unpassend. Keetmanshoop war nicht viel mehr als eine Anhäufung von wenigen Steinhäusern und Wellblechhütten, was umso lächerlicher wirkte, weil sich weiter draußen die Lager mit Eingeborenen befanden, die zehnmal so groß waren wie die kleine Ansiedlung der Weißen.
Ludwig, der ihre Sprachlosigkeit bemerkte, hob sie ungewohnt übermütig auf seine Arme und trug sie den Weg zum Haus hoch auf die Verandatreppe und setzte sie erst auf der mit hölzernen Rundbögen überdachten Terrasse wieder ab. »Willkommen zu Hause, meine Liebe.« Er küsste sie so herzhaft auf den Mund, dass sein Schnurrbart über Fannys Wangen kratzte. Dann klatschte er in die Hände, und sofort tauchten drei Bedienstete auf.
»Fanny, hier ist dein Hofstaat.« Er lachte erfreut, als er ihre Verblüffung bemerkte.
»Die rabenschwarze Kleine, die links mit den geflochtenen Zöpfen, ist Grace, sie gehört ganz dir.« Die so Angesprochene versuchte einen Knicks und sah dabei so herzzerreißend kindlich aus, dass Fanny an sich halten musste, nicht zu ihr zu stürzen und sie freundlich zu umarmen. Sie suchte Grace’ Blick, um sie anzulächeln, aber das Mädchen hielt seinen Kopf gesenkt.
Ludwig zeigte mit ausgestrecktem Finger auf die Frau in der Mitte. »Die rötliche Dicke mit dem Tuch um den Kopf, das ist Martha, sie wird dir beim Kochen zur Hand gehen. Nicht dass du glaubst, sie wäre von ihrer leider sehr mäßigen Kochkunst so dick. Die Himba-Weiber werden alle so, wenn sie genug zu essen kriegen.« Er lachte laut, und Fanny schämte sich. Sie wollte dieses grobe Benehmen wiedergutmachen, aber auch Martha starrte wie angenagelt auf den Boden. Sie deutete lustlos einen Knicks
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