Der Duft Der Wüstenrose
zu ohne großes Aufhebens durchs Wasser gezogen wurde. Immerhin stellte sie bei ihrem späteren Gang durch das Haus und die Nebengebäude fest, dass es ein Waschbrett und Fässer sowie Wäscheklammern und eine Leine gab, die allerdings jungfräulich zusammengerollt unter Spinnweben in einem Nebengebäude lag.
Bei ihrem Rundgang entdeckte sie auch einen großen Stall, neben dem sich ein kleiner Anbau aus Ziegeln befand. Als sie daran vorbeiging, winkte ihr John aus einem der beiden kleinen Fenster zu. Sie winkte zurück und ging seltsam beschwingt weiter. Ob er dort wohnte?
Als sie nach einer Inspektion der Vorratskammer und des Gartenschuppens endlich wieder auf der Veranda ankam, fühlte sie sich in diesem großen Haus schon nicht mehr so fremd wie noch vor wenigen Stunden.
10
S chon sehr früh am nächsten Morgen und völlig überraschend für Fanny erschien zeitgleich mit einem heftigen Regenguss der erste Besucher an der Tür. Sie hatten noch nicht einmal gefrühstückt.
»Ludwig, wer ist denn das? Schick die Leute weg! Oder sind das Patienten von dir?«
»Das kann ich nicht. An Besuch musst du dich gewöhnen. Hier passiert so wenig, und es gibt nur selten Zeitungen, da sind die Menschen begierig auf Neuigkeiten. Und auf mein adeliges, deutsches Frauchen sind sie besonders gespannt. Ich bin sicher, es ist mein Freund Hermann. Der hat nämlich darauf gewettet, dass meine Charlotte sich als eine so hässliche Frau herausstellen wird, dass ich sie mit dem nächsten Schiff wieder zurückschicken muss.« Ludwig küsste Fanny auf den Mund und schlüpfte in seine Hosen. »Aber komm bitte nicht in dem entsetzlichen Aufzug, den du gestern nach dem Bad getragen hast. Ich möchte Staat mit dir machen.«
»All meine Sachen sind nass und schmutzig. Ich kann doch nicht nackt …«
Aber Ludwig war schon auf dem Weg zur Tür, und ihr blieb nichts anderes übrig, als Martha und Grace zu fragen, ob sie ihr ein Kleid leihen könnten. Martha hatte nur ge brummt und sie gefragt, ob sie glauben würde, dass sie einen Schrank voller Sachen hätte wie eine weiße Lady. Dann war sie davongeschlurft. Grace hatte Fanny ihr Sonntagskleid überlassen. Es war aus dunkelgrauem Baumwollstoff, sehr schlicht und hochgeschlossen, betonte weder die Taille noch das Dekolleté und hatte gerade Ärmel. Es war mehr ein Kittel und würde Ludwig auch nicht gefallen, da war Fanny sicher. Dieser Hermann musste glauben, sie hätte keine Figur, und würde sich die Hände reiben. Ich werde eine von Charlottes weißen Spitzenschürzen so darüberziehen, dass es meine Figur betont, dachte sie, und gleichzeitig musste sie über sich selbst schmunzeln. Da wollte sie einem fremden Mann gefallen, nur damit Ludwig stolz auf sie sein konnte. Sie steckte ihr Haar fest, sodass ihr schönes Profil betont wurde, zwickte sich in die Wangen, damit sie etwas Farbe bekamen, und betupfte sich mit Echt Kölnisch Wasser, das sie in Charlottes Truhe gefunden hatte. Leider musste sie in feuchte Schuhe schlüpfen, aber das würde sie schon durchstehen.
Schon von Weitem roch sie schweren Zigarrenduft. Sie hörte Gelächter und freute sich, ihren Mann in so guter Stimmung vorzufinden.
Ludwig stellte sie einander vor, und Fanny gab sich alle Mühe, Hermann zu mögen. Doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Er hatte einen durchdringenden Blick und winzige Pupillen, die einen wie Stecknadeln durchbohrten, dazu einen fleischigen Mund, der Fanny an wunde Schleimhäute denken ließ. Dick, wulstig und glänzend quoll er unter einem perfekt gezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Bart hervor wie ein fischiges Insekt. Fanny spürte seinen abschätzenden Blick so intensiv auf ihrem Körper, dass sie sich wünschte, sie hätte Graces Sonntagskleid so schlicht gelassen, wie es war. Ihre Glasperlen wurden warm und vibrierten, als ob sie Fanny in Alarmbereitschaft versetzen wollten.
»Ich freue mich, Ludwigs Charlotte endlich kennenzulernen. Auch wenn das für mich bedeutet, dass ich gerade eben meine Wette verloren habe! Ludwig, du hast eine gute Wahl getroffen. Soweit ich das sehe, ist bei deiner Braut alles schön üppig und am rechten Fleck!« Hermann brachte Daumen und Zeigefinger zu einem Ring und spreizte die anderen Finger ab, als wäre sie eine erstklassige Zuchtstute, zu deren Einkauf er gerade sein Plazet gegeben hätte. Dabei grinste er Ludwig zu und zwinkerte, als wäre er augenkrank.
Abscheulich, dachte Fanny, der Mann war durchdrungen von seiner eigenen Wichtigkeit. Was fand
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