Der Duft Der Wüstenrose
unhöflich, dass Hermann John gänzlich ignorierte, aber außer Fanny schien das keiner zu bemerken. Hermann nahm sein Gedeck und verscheuchte Albert ohne viel Federlesens von seinem Platz an der Stirnseite. Albert maulte, aber seine Mutter zischte ihm eine scharfe Ermahnung zu, worauf er sich mit finsterer Miene neben John setzte.
Fanny servierte die Markklößchensuppe, wünschte sich, Hermann würde daran ersticken, und setzte sich dann wie der hin. Sie vermied es, seinem fischigen Mund beim Suppeschlürfen zuzuschauen, und fragte sich, ob sie es nicht doch wagen und Ludwig sofort alles beichten sollte.
Hermann musterte sie die ganze Zeit, und Fanny spürte genau, wie sehr er es genoss, sie in Ungewissheit darüber zu lassen, was er vorhatte. Warum gefiel es diesem Menschen bloß so sehr, andere zu quälen? So würde sie den Abend nicht überstehen. Das musste ein Ende haben. Ihr Herz klopfte wild, als sie sich aufsetzte und sich räusperte. Doch da kam ihr Hermann zuvor.
»Maria von Imkeller, mit Ihrem Mann habe ich schon viele Geschäfte gemacht. Bitte grüßen Sie ihn von mir.«
Maria wurde wieder feuerrot und nickte.
»Haben Sie nicht auch einen Bruder, Konstantin Fridolin von Öhringhausen, der im Regiment des Kaisers gedient hat?« Als Maria wieder nur nickte, fuhr Hermann mit einem satanischen Lächeln an Fanny gewandt fort: »Marias Bruder und der Bruder von unserer, äh, Charlotte von Gehring und ich – wir drei waren beinahe unzertrennlich.«
»Das wusste ich gar nicht«, sagte Maria staunend. »Aber damals war ich für meinen Bruder auch nur ein junges Gänschen. Er führte ein ganz anderes Leben als ich.«
»Ihr drei hattet sicher eine gute Zeit.« Ludwig stöhnte leise. »Als ich Militärarzt war, war mir nicht so ein Kameradenglück vergönnt.«
»In der Tat, Ludwig, da hast du viel versäumt. So ein Männerbund ist etwas Heiliges. Schade, dass Charlottes Bruder sich duelliert hat, ich bin sicher, das wäre gar nicht nötig gewesen. Niemand von Adel und Verstand hat je auch nur eine Silbe von diesen lächerlichen Sexskandal-Gerüchten im Jagdschloss Grunewald geglaubt.«
Fanny merkte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. »Der Tod meines Bruders ist immer noch ein schwieriges Thema für mich«, stotterte sie in der Hoffnung, dass sich das Gespräch anderen Dingen zuwenden würde.
»Was ist ein Sexkansal?«, fragte Hans.
»Nichts für kleine Jungs«, sagte Maria schnell und wandte sich dann Fanny zu. »Ich verstehe dich, Charlotte, so etwas bleibt für immer eine Wunde. Auch mein Bruder hat einen frühen Tod gefunden.«
Ludwig deutete eine Ehrenbezeigung an, der sich Hermann sogleich anschloss.
Maria wurde wieder knallrot. »Diese Ehre gebührt ihm leider nicht, es war die Franzosenkrankheit, die ihn hingerafft hat. Ich würde es vorziehen, wenn wir über Themen sprächen, die auch für unsere Jugend geeignet sind.«
Hermann neigte zustimmend seinen Kopf in ihre Richtung und zog dabei etwas aus seiner Jackeninnentasche. »Ganz wie Sie wollen. Der Wunsch einer schönen Frau war mir immer schon wie ein Befehl. So oder so wollte ich dir, Ludwig, unbedingt dieses Foto zeigen, das mir Aribert von Gehring bei seinem Abschied vom Regiment überlassen hat. Es ist ein Bild von ihm und seiner Schwester Charlotte. Es wird dich sicher auch sehr interessieren.« Hermann lächelte so fröhlich in die Runde, dass es Fanny kalt bis in die Knochen wurde. Ihr Mann durfte das Bild auf keinen Fall sehen, denn selbst wenn es eine ganz schlechte Aufnahme war, würde man erkennen, dass Charlottes Gesicht ganz anders geschnitten war als das von Fanny und ihre Augen hell waren und nicht dunkel. Fieberhaft überlegte Fanny, wie sie es aus dem Weg schaffen könnte.
»Wie wunderbar«, säuselte sie, »ein Bild von meinem Bruder und mir, das ist fast, als ob er vom Tode wiederauferstünde.« Sie versuchte, gerührt zu klingen, und rang nach Worten. »Es gibt nur wenige Fotos von meinem Bruder und mir. Ludwig, du erlaubst doch sicher, dass ich es zuerst betrachte, oder?« Sie streckte die Hand nach dem Foto aus und hoffte, niemand würde bemerken, wie stark sie zitterte. Dieses Bild musste verschwinden. Auf der Stelle.
»Natürlich, meine Liebe.« Ludwig nickte Hermann zu. Hermann reichte das Bild widerwillig über den Tisch, wo Fanny es ihm geradezu aus der Hand riss.
Kaum hatte sie das Bild berührt, wurde ihr Armband schlagartig heiß, als ob es ihr etwas damit sagen wollte. Was sollte sie jetzt tun, was
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