Der Duft Der Wüstenrose
vergangen hatte. Natürlich auch nicht wegen der Schmerzen und des Leids, das er über Grace und Martha gebracht hatte, sondern weil sich in Marias Welt ein deutscher Mann niemals mit Kaffernweibern einlassen sollte. Aber wie würde sich Maria verhalten, wenn sie von Fannys falscher Identität erfahren würde?
Zu allem Übel tauchte nun auch noch John auf, der dringend mit Ludwig reden wollte. Fanny suchte seinen Blick, um ihm klarzumachen, dass jetzt kein guter Moment war für Geständnisse jedweder Art, aber John wich ihr aus.
Ludwig schien davon nichts zu bemerken, begrüßte seinen Verwalter selten gut gelaunt und lud ihn sogar dazu ein, heute Abend mit ihnen zu essen, wo sie dann darüber reden könnten, was während Ludwigs Abwesenheit passiert war.
Noch nie hatte John mit ihnen gegessen!
Diese Aufgeräumtheit überraschte John offensichtlich ebenso, denn er suchte Fannys Blick, um sie fragend anzusehen. Fanny konnte nur ratlos mit den Schultern zucken, und ihre Panik wurde ständig größer. Warum war Ludwig so ungewohnt freundlich zu John?
Schließlich verschwand Ludwig mit seinem Verwalter, um die neu gekauften Schafe in ihren Kraal zu bringen. Fanny hoffte sehr, dass John so klug sein würde, Ludwig erst einmal Zeit zum Ankommen zu geben, anstatt ihn sofort mit einer Beichte zu überfallen.
Nachdem Marias Gepäck in ihr Schlafzimmer geschafft worden war, konnte Fanny sich um das Abendessen kümmern. Ludwig hatte nicht nur Maria mitgebracht, sondern auch einen frisch geschossenen Kudu. Sein Jagdglück hat garantiert auch zu seiner guten Stimmung beigetragen, dachte Fanny, während sie überlegte, wie sie das Tier zubereiten könnte. Es wird mir guttun, das Vieh zu häuten und zu zerlegen, weil es mich auf andere Gedanken bringen wird.
Zach half ihr ungewohnt willig und flink. Grace war bei Maria, um ihr und den Kindern beim Waschen zu helfen. Fanny betete, dass niemand Martha vermissen oder, noch schlimmer, sie mit ihrer seltsamen Tracht im Lämmerstall entdecken und Fragen stellen würde.
Maria war überraschend schnell fertig und kam so dy namisch zu Fanny, als wäre sie gerade aus einem langen, an genehmen Schlaf erwacht und nicht tagelang durch Staub und Dreck getreckt.
Sie schwitzte allerdings schon wieder und stöhnte laut wegen der Hitze, die sie hier im Süden viel schlimmer fand als in Windhuk – was Fanny nicht nachvollziehen konnte, denn es wehte ein kühler Wind, und sie selbst empfand die dreiundzwanzig Grad, die Ludwigs Barometer anzeigte, sehr erträglich. Maria hatte sich eine Arbeitsschürze übergezogen und verkündete fröhlich, wie sehr es sie danach verlangte, sich nützlich zu machen.
Fanny war auf dem Weg in den hinteren Hof, wo sie den Kudu zerlegen wollte, um die Küche nicht zu beschmutzen. »Wie kann ich dir helfen?«, fragte Maria leicht keuchend, hielt dann aber inne und sah sprachlos dabei zu, wie mühelos Fanny trotz ihrer Armverletzung dem Tier die Haut abzog und nicht verwertbare Teile wie die Füße und den Schwanz abtrennte. Sie half Fanny dann dabei, die schweren Fleischabfälle in einen Emaileimer zu werfen. Trotz des Windes lockte das blutige Fleisch Tausende von Mücken an, die die beiden Frauen aufdringlich umschwirrten. Maria wedelte mit dem unteren Teil der Schürze durch die Luft, um sie zu verscheuchen.
Fanny betrachtete Maria aus den Augenwinkeln, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Sie hatte erwartet, dass Maria es ablehnen würde, sich mit derart niederen Küchenarbeiten zu befassen. Irgendetwas musste vorgefallen sein, denn Maria benahm sich völlig anders als in Windhuk oder auf dem Schiff.
Während Fanny die Eingeweide herausnahm, was ihr mit nur einer Hand wesentlich schwerer fiel als das Häuten, wurde ihr plötzlich klar, was anders war. Maria wollte ihr gefällig sein. Aber warum? Doch wohl nicht nur, weil sie hier übernachten durfte. Das Gesetz der Gastfreund schaft war heilig in Deutsch-Südwest. Nein, es musste noch einen anderen Grund geben.
»Unglaublich, wie geschickt du das Fleisch zerteilen kannst, das musst du mir beibringen, hast du das bei einem Metzger gelernt?«, fragte Maria.
»Mit einem scharfen Messer ist es gar nicht schwer, man braucht nur etwas Übung. Aber du brauchst derart schmutzige Arbeiten doch gar nicht zu machen, du hast ja so viele gute Dienstboten.«
Maria wurde feuerrot und sah zu Boden. Fanny war nicht klar, womit sie ihren Gast in Verlegenheit gebracht hatte, und wechselte lieber das Thema. Jetzt, wo sich
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