Der Duft Der Wüstenrose
was sie gefühlt hatte.
»Hermann hat keine Ahnung.« Ludwig nickte John widerwillig zu. »Ich bin sicher, dass ich dir in dieser Hinsicht vertrauen kann, weil du als Einziger wirklich weißt, dass ich jeden, der sich an meinem Besitz vergreift, ohne zu zögern töten würde.«
Fanny schluckte ein paarmal trocken und versuchte sich zu beruhigen. Ludwig würde es nie erfahren. Er trat zu ihr und legte den Arm um ihre Taille, wie um sie zu stützen. »Es tut mir sehr leid, dass Hermann sich so unfassbar viehisch benommen hat. Ich verspreche dir, dass er hier niemals mehr aufkreuzen wird. Wie fühlst du dich jetzt?«
»Schwach«, sagte Fanny, und das war nicht gelogen, denn noch nie hatte sie solche Angst gehabt, Angst um ihr Leben und um das von John. Der Gedanke daran, dass John die Farm verlassen würde, war nahezu unerträglich. In seiner Gegenwart fühlte sie sich immer wohl und nie hilflos, vor ihm hatte sie keine Angst. Tränen stiegen ihr in die Augen, und als ihr das Ausmaß ihrer Einsamkeit klar wurde, entrang sich ihrer Kehle ein hilfloses Schluchzen.
Ludwig tätschelte ihr mit seinen großen Pranken den Rücken. »Das ist ganz normal, vor allem in den ersten Monaten. Das gibt sich wieder. Und je mehr Probleme es am Anfang gibt, desto sicherer ist es, dass es ein Junge wird. Wie gut, dass ich dir Maria mitgebracht habe, sie hat schon drei stramme Jungs auf die Welt gebracht und kann dir bei allem helfen.«
Fanny schluchzte laut auf. Dieser Dummkopf hatte keine Ahnung, wie sehr ihr Marias tatkräftiges Getue auf die Nerven ging. Das Letzte, was sie wollte, war, die kommenden neun Monate von Maria und ihren Söhnen umgeben zu sein.
Sie sackte in sich zusammen und ließ sich widerstandslos von Ludwig zum Sofa zurückführen und in die grünen Polster drücken.
John beobachtete sie beide. Fanny sah über Ludwigs Schulter mit verweinten Augen zu John. Er verzog den Mund zu einem Lächeln, was reichlich grotesk aussah, denn seine Lippen waren aufgeplatzt und das linke Auge angeschwollen. Trotzdem fühlte sich Fanny sofort getröstet. Sie würde ihn wiedersehen, da war sie auf einmal ganz sicher.
»Was für ein Abend«, stöhnte Fanny.
»Den Arm werde ich mir nachher auch gleich mal anschauen. Aber zuerst muss ich mit John über die Farm reden.«
John machte eine Bewegung auf Ludwig zu, als Maria wieder hereingewogt kam.
Sie blieb stehen und deutete mit ausgebreiteten Händen auf den Tisch, der wie eine verlassene Theaterdekoration wirkte, mit den flackernden, fast ganz heruntergebrannten Kerzen und den achtlos hingeworfenen Stoffservietten.
»Wie schade um das alles. Wollen wir denn nicht zu Ende essen?«, fragte sie. »Es wäre doch geradezu eine Sünde, wenn all die Arbeit, die sich Charlotte trotz ihres gebrochenen Arms bei der Zubereitung gemacht hat, umsonst wäre. Das Fleisch in der Küche jedenfalls riecht unwiderstehlich.« Maria wedelte mit den Händen den imaginären Duft durch die Luft, atmete dabei so heftig, dass sich ihre gewaltige Brust hob und senkte wie ein Erdbeben und ihre Nasenlöcher groß wie Einschusslöcher wurden.
Sie sah aus wie eine absurde Karikatur. John, Ludwig und Fanny sahen einander überrascht an, und dann konnte Fanny nicht anders. Das war alles zu viel, ihr letztes Schluchzen ging in ein Kichern, dann in lautes Lachen über. Auch John fing an zu grinsen, und schließlich platzte sogar Ludwig heraus, und weil Maria darüber so verblüfft wirkte, lachten die drei noch mehr, und nach einer Minute wurde Maria auch davon angesteckt, und so standen sie da und krümmten sich vor Lachen.
Fanny wollte damit aufhören, denn sie spürte, wie verrückt es war, nach all diesen entsetzlichen Ereignissen zu lachen. Aber sie schaffte es nicht, es war, als ob ihr Körper mit dem Lachen allen Ängsten dieses Abends den Garaus machen wollte.
Zaghaft kam Zach herein und fragte, ob er jetzt abräumen solle. Das brachte sie wieder zur Besinnung.
»Nein«, keuchte Ludwig noch leicht atemlos von dem Gelächter, »nein, wir brauchen dringend etwas zu essen, allen voran mein Sohn.« Er tätschelte Fannys Schultern und führte sie zum Tisch zurück. Ludwig klatschte in die Hände und befahl Zach, endlich den Kudufleischtopf hereinzubringen. John schickte er zum Essen in die Küche, dann setzten sie sich wieder hin.
Fanny sah John nach und hätte gewettet, dass sie beim Gedanken an seine Kündigung keinen Bissen Fleisch herunterbringen würde, doch sie war genauso hungrig wie die
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