Der Duft Der Wüstenrose
fand und er es liebte, wenn seine Hemden bretthart gestärkt wurden.
Manchmal kam es Fanny so vor, als wäre Maria in Ludwig verliebt. Ludwig aber hatte nur Augen für Fanny und den Sohn in ihrem Bauch. Gemeinsam sorgten die beiden dafür, dass sie sich wie eine eingesperrte Löwin vorkam.
Es hatte sie überrascht, wie sehr sie daran gewöhnt war, ihre Arbeit allein zu machen und dabei Zeit zu haben, ihren Gedanken nachzuhängen. Jetzt wurde sie ständig von Maria in Besitz genommen, die ihre Kommentare stetig und unablässig wie Wasser aus einer Gießkanne über Fanny niederregnen ließ. Eine Gießkanne, die niemals leer wurde.
Fanny sehnte sich danach, heimlich ein Pferd zu schnappen und nachts in den Köcherbaumwald zu reiten, einfach nur, um dort zwischen den Felsplatten zu sitzen, die Wärme und Stille zu genießen und mit ihrem ungeborenen Kind Gedanken zu tauschen. Sie war davon überzeugt, dass der Winzling sie verstehen konnte.
Fanny träumte wieder, und vieles davon beunruhigte sie. Oft, wenn sie nach einem verstörenden Traum aufwachte, dachte sie an John und hätte gern gewusst, was er zu diesem Traum gesagt hätte. Sie hatte einmal versucht, mit Ludwig über ihre Träume zu reden, aber er hatte nur abgewunken und gemeint, dieses Weiberzeug solle sie lieber mit Maria besprechen. Damit ihm klar wurde, dass Träume keineswegs nur Weiberzeug waren, hatte Fanny ihn daran erinnert, dass sogar in der Bibel jede Menge wichtiger und weissagender Träume vorkamen. Sie hatte gehofft, dass ihm als Sohn von Missionaren die Bibel etwas bedeuten würde. Er hatte nur herzlich gelacht, denn er glaubte nicht an Träume, sondern nur an das, was man sehen und anfassen konnte.
Fanny hatte ihn geneckt und ihm zu bedenken gegeben, dass er ja auch an den Sohn in ihrem Bauch glaubte, ohne ihn sehen oder anfassen zu können. Darüber konnte er aber nicht lachen. Ihr Bauch sei ihm Beweis genug, hatte er mit säuerlichem Gesicht erwidert. Und danach war Fanny zum einen klar geworden, wie heilig ihm seine männlichen Nachkommen waren, und zum anderen, wie wenig Ludwig bereit war zu lachen, am allerwenigsten über sich selbst.
Fanny erinnerte sich genau daran, wie erleichtert sie gewesen war, als sie zum ersten Mal von den Träumen in der Bibel gehört hatte. Denn in der Heiligen Schrift hieß es immer, dass die Träume von Gott gesandt wurden, und nie war die Rede vom Teufel. Ab diesem Moment hatte sie keine Angst mehr gehabt, vom Teufel besessen zu sein, wenn sie morgens verstört aus ihren Träumen aufgewacht war. Egal, was Seraphina behauptete, ihre Träume kamen von Gott und wollten ihr etwas Wichtiges sagen, auch die bösen.
Einmal, nur ein einziges Mal, hatte sie Ludwig beim Wort genommen und Maria von einem ihrer belastenden Träume erzählt. Darin war sie ein Omumborombonga -Baum, der von einem weißen Mann gefällt wurde. Sie hatte jeden Hieb mit der Axt gespürt und geschrien vor Schmerz, bis sich die Klinge der Axt vor ihren Augen in Perlen aufgelöst hatte, Perlen wie aus ihrem Armband. Diese Perlen hatten den merkwürdig sirrend-singenden Ton von sich gegeben, waren schwerelos durch die Luft geschwebt und hatten alles zum Erstarren gebracht. Alles bis auf Fanny. Die verwandelte sich vom Baum langsam in eine Schlangenfrau, der weiße Flügel wuchsen und die wie ein Drache fliegen konnte. Erfüllt von heiterer Leichtigkeit war sie über eine Kette von Bergen in eine gelbe Sandwüste geflogen, wo sie im Schatten eines roten Felsens völlig schmerzfrei ein schwarzes Kind gebar, ein Mädchen. Ein Mädchen, das ihre Glasperlen um den Hals trug und davon erwürgt wurde.
Fanny hatte Maria nicht erzählt, wie oft sie diesen Traum schon geträumt hatte und dass sie davon jedes Mal schweiß gebadet aufgewacht war, weil sie Maria nicht beunruhigen wollte. Doch diese Rücksicht war völlig unnötig, denn für Maria war das nur so ein Schwangerschaftstraum, wie ihn alle Frauen immer schon gehabt hatten und in dem lediglich Charlottes Angst vor der Geburt und der Verantwortung, die sie dann den Rest ihres Lebens tragen würde, zum Ausdruck kam. Auch die schwarze Hautfarbe des Kindes war für Maria nur ein Beweis für Charlottes Angst davor, dass es entstellt sein könnte. Das Erwürgen des Kindes mit den Perlen war Marias Lieblingsstelle, die sie dem engen Geburtskanal zuordnete, der dem Kind ja wirklich gefährlich werden konnte. Und dann war wieder eine besonders grausig ausgeschmückte Erzählung der Zwillingsgeburt
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