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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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nur angerufen, um dir ein fröhliches Weihnachtsfest zu wünschen.«
    Bevor Alexander etwas erwidern konnte, hatte sie aufgehängt.
    Er starrte den Hörer an. »Biest!«, zischte er. Dann legte er ihn langsam wieder auf. »Fünf Millionen?«, murmelte er. »Wenn’s wahr wäre, dann dürftest du dich Beherrscher der Galaxis nennen, mein lieber Sascha.«
    ***
    Die Tage drehten sich wie ein Kreisel. Wo gestern noch Weihnachtssterne glitzerten, lagen heute Knallkörper, Luftschlangen hatten das Lametta ersetzt. Das neue Jahr klopfte an die Tür, in ein paar Stunden musste man es hereinlassen.
    Barbara hatte schon seit Tagen keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt. Ihre Lebensmittelvorräte waren arg geschrumpft, dafür lagen im Kühlschrank acht Wodkaflaschen, auf dem Küchenschrank fünf Päckchen extra lange Zigarillos. Beim Rauchen musste sie husten, das würde sich geben. Sie stand vor dem Spiegel im Flur und probierte bunte Krawatten aus. Nebenbei trank sie Wodka aus einer angebrochenen Flasche. »Hallo Alexander«, lallte sie ihr Spiegelbild an, »fröhliche Weihnachten und Prosit Neujahr und zur Hölle mit allen Weibern!«
    Sie summte eine Tangomelodie und versuchte ein paar staksige Tangoschritte, dabei taumelte sie, stieß an die Flurgarderobe, fing sich, grinste in den Spiegel und sagte: »Alexander, lass das Saufen. Das Saufen und das Bumsen. Du bist doch ein Gentleman.«
    Sie wankte ins Wohnzimmer. Dort hatte sie alle Bilder an den Wänden durch Selbstbildnisse ersetzt. Sie trank ihnen zu. »Kann jeder sehen, was für ein Kerl du bist! – Barbara?« Sie machte eine Handbewegung. »Die hast du einfach in den Gully geschubst. Plumps, weg war sie. Und Sascha? Den hast du – hä, hä, totgebumst. Haben es beide verdient.« Der Zigarillo fiel ihr aus der Hand, glimmte ein Loch in den Teppich und verglühte. Sie setzte erneut die Flasche an. Dann erstieg sie mit wackeligen Beinen einen Stuhl, breitete die Arme aus und rief: »Ich bin Alexander Kirch! Der wahre Alexander! Wenn es mir Spaß macht, steche ich Stricher ab, einfach so.« Ihre Hand fuhr durch die Luft. »Der andere …« Sie blies die Backen auf, »den puste ich übern Teich, der hat doch keinen Mumm in den Knochen, der könnte nicht mal ’nen Junkie kaltmachen. Butterweiche Tango-Knie hat der.«
    »Hops!«, rief sie und sprang vom Stuhl, landete auf den Knien und krabbelte auf dem Teppich weiter. Dabei fand sie den Zigarillo. Sie nahm ihn und starrte ihn an. »Feuer – hat mal jemand von den Jungs Feuer für mich?«

33
    Maria Matuschek und ihr Sohn hatten geruhsame Feiertage verlebt. Bei Plätzchen und Christstollen hatte Jan erst geheimnisvolle, dann zweideutige und am Ende eindeutige Bemerkungen gemacht. Es gebe da eine Frau in Hamburg, in die sei er verliebt, nein, diesmal sei es etwas Ernstes, und sie sei etwas Besonderes.
    Wenn es dir wirklich ernst ist, hatte seine Mutter gesagt, dann musst du sie auch heiraten.
    »Würde ich ja«, versicherte Jan, »aber sie mag keine Männer.« Hastig fügte er hinzu: »Nicht zum Heiraten.«
    Maria Matuschek vermutete jedoch nicht, wie es modern geworden war, hinter jeder Marotte etwas Anrüchiges. »Dann ist sie wohl eine von den emanzipierten Frauen, die es allein schaffen wollen?«
    Wenn ich das wüsste
, dachte Jan, und wieder erschien ein blinder Fleck auf ihrem blank geputzten Bild. Sie wollte keinen Sex, unter keinen Umständen, mit Frauen nicht und auch nicht mit Männern. War das normal oder bereits pathologisch? Mein Gott, er war kein Sexualtherapeut. Vielleicht überbewertete er auch die Sexualität. Wahrscheinlich lebte Barbara alles beim Malen aus, Sublimation, davon hatte er schon etwas gehört. Ebenso von Triebtätern, das waren stets arme Kerle, die keine abkriegten und aus Frust mordeten. Vielleicht sollte er doch einmal einen Arzt fragen, aber darüber konnte er mit seiner Mutter nicht reden.
    »Wenigstens sind wir gute Freunde«, sagte er leichthin und nahm noch einen von den selbst gebackenen Zimtsternen.
    Das neue Jahr kündigte sich an mit beißender trockener Kälte, verzehrt waren Plätzchen und Christstollen, ebenso die Berliner, die in Berlin jedoch Pfannkuchen heißen. Jan fuhr gutes Geld ein mit seinem Taxi, weil viele, aus ihren warmen Feiertags-Puschen gejagt, die Fußkälte an den Bushaltestellen nicht ertrugen. Abends genoss er nach einem Zwölfstundentag den Feierabend vor dem Fernseher und einem Sechserpack Bier. Er dachte an Barbara und wie es wäre, wenn sie neben ihm

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