Der Duft des Anderen
sie zugeschwebt. »Ach Robert, tut mir so leid, dass ich mich nicht um euch kümmern konnte. Lasst uns doch rübergehen ans brasilianische Büfett, lauter Landesspezialitäten, die die Armen dort nicht mal mit Namen kennen.« Sie lachte rau. »In zehn Minuten werden alle anwesenden Künstler auf die Bühne gebeten.« Sie hakte sich bei beiden Männern unter. »Mein Gott, ich habe richtig Lampenfieber.«
Jan sah sie an und dachte:
Eine tolle Frau! Ich habe mich gründlich geirrt, Gott sei Dank!
***
Bereits um sieben erschien Alexander im Club. Er trug einen seidenen Hausanzug, bedruckt mit indischen Motiven, sehr exotisch, dazu passend ein schweres Parfüm. Unter der offenen Jacke trug er nackte Haut, und darauf schimmerte eine schmale, goldene Kette. Die Füße steckten in Mokassins aus weichem Leder.
Trotz der frühen Stunde waren die meisten Clubmitglieder bereits anwesend. Fred hatte am Spion gestanden und Alexanders Kommen angekündigt. Als er eintrat, saßen sie alle an der Bar und sahen ihm entgegen. Nur Rosalie, mit Mini-Rock und grünen Netzstrümpfen, stand im Raum, Hände in den Hüften, den Bauch vorgestreckt, und wollte zur Predigt ansetzen, aber sie klappte den offenen Mund wieder zu. Alexanders Lächeln hätte den Alten vom Berge hinschmelzen lassen.
Sie zog den Bauch ein, trippelte ein paar Schritte auf ihn zu und streckte die rechte behandschuhte Hand aus. »Da ist er ja, der böse, böse Verräter.« Alexander hauchte einen Kuss über ihren Handschuh. »Du schlimmer, hinterhältiger Schuft. Der ganze Club wollte eine Stunde lang mit dir schmollen, und nun kommst du als indischer Märchenprinz.« Sie hustete und wandte sich mit großer Geste an die anderen. »Was sagt ihr zu diesem überaus süßen Maharadscha? Können wir ihm grollen?«
Sie kamen lachend auf Alexander zu, umringten ihn und bedrängten ihn mit Fragen, was es denn mit dem Verdacht auf sich habe und mit seinem merkwürdigen Doppelgänger.
Alexander breitete die Arme aus. »Freunde, lasst mich erst einmal meine Zunge anfeuchten.«
»Stehe zur Verfügung«, grinste Markus und griff sich schamlos in den Schritt.
Alexander sah an ihm hinab. »Deine Gießkanne bewässert doch nicht einmal mehr ein Gänseblümchen.« Er holte sich von Luigi seinen Wodka Lemon und begab sich in eine der Sesselecken, wohin ihm die anderen folgten und sich um ihn scharten wie Kinder, die Bonbons erwarteten.
»Ein Skandal!«, fing Rosalie an. »Polizei in meinem Haus, und dazu noch so was Unattraktives. Fragten, ob hier nur Homosexuelle verkehren. ›Homosexuelle?‹, sagte ich zu dem Dicken, ›was ist denn das? Kommen Sie bitte zur Sache, und fragen Sie uns nicht, welche Farbe unsere Höschen haben, oder hat das was mit Ihrem Fall zu tun?‹ Der Dicke wurde ganz rot, ich glaube fast, der war scharf auf mich.«
Nachdem Rosalie sich, begleitet von lebhaften Gesten, des längeren und breiteren darüber ausgelassen hatte, wie sie mit der Polizei umgesprungen war, durfte auch Alexander erzählen, worum es ging, und da die Angelegenheit, was ihn betraf, inzwischen geklärt war, tat er das mit Gelassenheit. Es war ein Krimi mit dem falschen Verdächtigen und einem echten Telefongeständnis der Täterin, die immer noch nicht identifiziert war. Der hübsche Sascha, der liebe Sascha: in Wahrheit eine Schwulenhasserin und eine blutrünstige Killerin. Da lief einem noch nachträglich ein Schauer über den Rücken. Niemand machte sich Gedanken, ob die schmachvolle Entlarvung durch Alexander und der unrühmliche Abgang, den er ihr verschafft hatte, vielleicht ein bisschen dazu beigetragen hatten, dass sie tat, was sie tat, und am allerwenigsten Alexander selbst.
32
Weihnachten ist in mancher Hinsicht eine wunderliche Angelegenheit. Die einen sitzen allein unter dem Tannenbaum und fühlen sich schrecklich einsam, die anderen hetzen von einer Familienfeier zur anderen, können keinen Gänsebraten mehr riechen, die Verwandten schon gar nicht, und beneiden jene, die allein unter dem Tannenbaum sitzen. Wieder andere glauben, sie stünden über den Dingen, indem sie Weihnachten einfach ignorieren. Aber das ist nicht leicht. So manch einer lügt sich dabei in die eigene Tasche.
Zu diesen Menschen gehörte auch Alexander Kirch. Außer einer dicken gelben Wabenkerze in einem Tannengesteck auf dem Kamin erinnerte bei ihm nichts an das Fest, und das war ein Geschenk von Joachim. »Werde bloß nicht sentimental«, hatte Alexander gesagt, es aber trotzdem hingestellt.
Es
Weitere Kostenlose Bücher