Der Duft des Anderen
Küssen zu entgehen. Dafür wurde Barbara von der robusten weinroten Spitze abgeküsst und in den Salon geschoben. »Komm herein, fühl dich wie zu Hause. Was willst du trinken? Luigi wird gleich die Bar eröffnen. Und dann gibt es auch Musik. Du malst, habe ich gehört. Deine Bilder muss ich unbedingt sehen. Was malst du denn? Landschaften, Abstraktes oder was Unanständiges?«
Barbara war von diesem Wortschwall so überwältigt, dass sie nicht antworten konnte. Aber Rosalie erwartete wohl auch keine Antwort. Sie schob sie auf die riesige Bar zu und machte eine ausholende Armbewegung. »Es ist noch zu früh, aber keine Angst, sie werden alle noch kommen, sie kommen immer, und alle kommen gern zu Rosalie.«
Barbara schwang sich auf einen Barhocker und begriff, was Luigi gemeint hatte. Es war günstiger, früh zu kommen. Jetzt hatte sie die Eingangstür im Auge, und die Gäste mussten auf sie zukommen. Sie ließ ihre Blicke schweifen und musste ihre Meinung revidieren. Das Ambiente war erstklassig. Die halbkreisförmige Bar bestand aus rosa Marmor und ruhte auf ionischen Säulen. Die im Raum verteilten Sesselgruppen waren jeweils in einem eigenen Stil gehalten, von altmodisch chintzbezogen bis zur kühnen Rohrkonstruktion.
Es fehlen nur noch die römischen Ruhebetten, um es perfekt zu machen
, dachte Barbara.
Vielleicht rege ich das später einmal an.
Zum Glück schellte es an der Haustür, und sie wurde von Rosalie befreit. Jetzt erschien auch Luigi mit seiner schmucken offenherzigen Weste und fragte, was sie trinken wolle. »Die Getränke sind umsonst, dafür ist der Jahresbeitrag gepfeffert«, grinste er.
Innerhalb der nächsten Stunde musste Barbara etliche Hände schütteln und ›Hallo‹ sagen. Zwischendurch machte Luigi sie mit einigen Regeln bekannt. »Wir duzen uns alle, klar. Über Geschäftliches wird nicht gesprochen. Deine Malerei ist natürlich eine Ausnahme. Künstler und Schwule, das ist fast schon ein Synonym, aber die meisten hier sind seriöse Geschäftsleute. Die müsstest du mal in ihren Büros sehen.« Luigi kicherte.
Barbara genoss die Aufmerksamkeit, die ihr als Neuem entgegengebracht wurde, aber besonders aufregend waren die Männer bisher nicht. Eine lockere Stimmung verbreitete niemand, und diese Wundermänner, denen man die Füße küssen sollte, hatte sie auch noch nicht erblickt. Abwarten, sagte sie sich.
Die Besucher verteilten sich im Raum, einige nahmen in den Sesseln Platz, andere saßen an der Bar oder standen herum. Es wurde sich gedämpft unterhalten, und fast jeder hielt ein Glas in der Hand. Der einzige Farbtupfer war bis jetzt Rosalie, und die einzige Stimmung brachten die CDs, die Luigi auflegte, hauptsächlich Oldies, Luigi meinte, die würden am liebsten gehört. Barbara war es auch recht.
»Wann ist denn hier der Bär los?«, flüsterte sie Luigi in einem geeigneten Augenblick zu.
»Vor zehn nicht, dann verteilt Rosalie ihre bunten Pillen. Ohne die läuft gar nichts, sind alle zu steif. Das kommt wahrscheinlich von den unbequemen Bürostühlen. Da bekommt man es im Kreuz und in der Psyche.«
Die Uhr ging auf halb neun. Barbara hatte sich nicht eben gelangweilt. Mit den gebildeten Männern waren gepflegte Gespräche möglich. Und langsam taten Whiskey und andere scharfe Sachen ihre Wirkung. Dazwischen hörte man immer wieder Rosalies schrilles Lachen oder ihre wortreiche Begrüßung, wenn ein neuer Gast erschien.
In diesem Augenblick betrat ein Mann den Raum, der erstmals Barbaras Blicke auf sich zog. Unter einem taubenblauen Jackett mit farblich dazu passender Hose trug er ein silbergraues Seidenhemd, keine Krawatte. Aber nicht die Kleidung ließ Barbaras Herz schneller schlagen. Es war seine machtvolle Präsenz. Mit kühnen Schritten teilte er das Publikum. Die aufrechte Haltung, das selbstsichere Lächeln kündeten davon, dass er es gewohnt war, sich in Gesellschaft aufzuhalten und dort den Ton anzugeben. Seine Augen, schwarz, von verhaltenem Feuer, schienen von einer dämonischen Kraft beseelt. Der sinnliche Mund verriet Arroganz. Das dunkelbraune Haar trug er im Nacken gebunden.
Der Mann war schwul? Seine Aufmachung erinnerte an einen Zuhälter, aber waren hier nicht alle verkleidet? Vielleicht wollte er eben diesen Eindruck erwecken. Auf alle Fälle musste er zu jenen Männern gehören, deren Füße Luigi küssen wollte.
Luigi eilte auch schon mit einem Drink zu ihm. Als er zurückkam, fragte Barbara: »Wer ist denn das?«
»Das ist Alexander, unser
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