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Der Duft des Apfelgartens

Der Duft des Apfelgartens

Titel: Der Duft des Apfelgartens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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Wohnung hat, in die sie ihn zum Abendessen, zum Grillen oder zu sonst etwas ganz Normalem einladen kann. Natürlich haben sie das Ferienhaus, doch das bedeutet, dass immer er die Initiative ergreift. Wenigstens hat sie den großen Schritt gewagt und ihn eingeladen, Pa und Mo kennenzulernen – und er hat absolut nichts dagegen.
    Rupert telefoniert mit Kitty.
    »… ich weiß ja, dass du dieses Wochenende nicht kommen kannst«, sagt sie gerade, »aber das nächste habe ich um Mummys Geburtstag am Sonntag herum geplant. Sie freut sich sehr darauf. Natürlich wissen wir alle, dass es ihr letzter sein wird, deswegen muss er etwas Besonderes werden …«
    Sie plappert weiter, aber er hört nicht zu. Er hat sich vorgebeugt, um in seinen Kalender zu schauen, und gerade gesehen, dass Pa an diesem Samstag Geburtstag hat, und er hat versprochen, zum Tee im Court zu sein. Er hat dieses Zusammentreffen gefürchtet und nicht gewusst, wie er damit umgehen soll, doch jetzt sieht es so aus, als müsste er die Sache abblasen. Er kann Kitty kein zweites Wochenende hintereinander absagen, und obwohl ein Teil von ihm zutiefst dankbar für diese Ausflucht ist, hat er keine Ahnung, wie er das Dossie erklären soll. Sie glaubt immer noch, dass seine Mutter in Bristol lebt, und er wird sie als Ausrede benutzen. Schließlich ist das nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt …
    Kitty spürt, dass er abgelenkt ist. »Bist du in Ordnung?«
    »Ich hatte nur in den Kalender gesehen«, sagt er. »Ich sollte heute Morgen etwas in Bodmin abholen und habe das vollkommen vergessen. Hör mal, ich mache mich besser auf, Liebes. Ich rufe dich später noch mal an. Bis dann.«
    Unterdrückt fluchend legt er sein Handy weg. Er kann Kitty oder ihre Mutter nicht enttäuschen, doch er braucht eine sehr gute Entschuldigung, um sich aus dieser anderen Sache herauszuwinden. Dossie wird sehr bestürzt sein. Es wird immer schwieriger, seine beiden Welten auseinanderzuhalten, aber noch zögert er und will keine davon aufgeben. Dossie ist wichtig für ihn geworden; im Moment ist sie die perfekte Gefährtin, und er sieht keinen Grund, Unruhe in ihre Beziehung zu bringen. Er wird allerdings sorgfältig darauf achten müssen, als Grundlage für seine Ausrede an dem wichtigen Termin mit seiner »Mutter« festzuhalten, denn er hat gelernt, dass es immer am besten ist, eine Lüge auf einem Körnchen Wahrheit aufzubauen. Außerdem ist die liebe alte Mummy wirklich wie eine Mutter zu ihm gewesen, seit seine eigene gestorben ist, also ist das fast die Wahrheit. Er muss aber trotzdem seinen Kopf gebrauchen; schließlich ist es unwahrscheinlich, dass er den Geburtstag seiner Mutter vergessen würde. Nein, es muss eine andere Feier sein, irgendein Familienfest vielleicht, das mit seiner Schwester zu tun hat. Er wird sich schon etwas einfallen lassen – und dann muss er es Dossie sagen.
    Schwester Ruth rückt die Blumen ein letztes Mal zurecht und sieht sich in dem kleinen Zimmer im Westflügel um. Heutzutage werden die Gäste gebeten, Bettwäsche und Handtücher selbst mitzubringen; aber bei älteren, langjährigen Besuchern machen die Schwestern gelegentlich eine Ausnahme. Das ist hier der Fall, daher ist das Bett bezogen, und am Waschbecken hängen Handtücher. Der kleine Raum wirkt sauber, frisch und einladend.
    Für die grüne Tonvase, die auf dem auf Hochglanz polierten Tisch steht, hat sie die letzten Wicken und violette Hebe gepflückt und ist erfreut über ihre Wirkung. Gastfreundschaft ist eine gute Sache, obwohl sie sich nie so ganz hineinstürzen kann wie Schwester Emily oder Mutter Magda, die die Gäste mit Umarmungen und Küssen willkommen heißen. Man hat sie Zurückhaltung und allergrößte Bescheidenheit gelehrt, und sie war noch nie in der Lage, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Nur ganz gelegentlich, bei Schwester Nicola, kann sie sich ein wenig gehen lassen und ihr den Gutenachtkuss geben, den die alte Schwester erwartet und auf den sie sich freut, oder manchmal, wenn sie still zusammensitzen, ihre Hand halten. Zärtliche Berührungen und offen zur Schau getragene Zuneigung sind ihr noch nie leichtgefallen; da ist sie anders als zum Beispiel Janna im Umgang mit Jakey.
    Noch einmal fährt Schwester Ruth mit dem Staubtuch über den Holzrahmen des Lehnsessels. Natürlich ist sie selbst sehr streng erzogen worden; damals hat man Kinder strikt unter Kontrolle gehalten. Um der Gerechtigkeit die Ehre zu geben, ist Jakey ein gutes Kind, aber sie fühlt sich

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