Der Duft des Apfelgartens
Kochsendung an. Als Janna hereinkommt, schaltet sie den Fernseher aus und umarmt sie.
»Erst acht Uhr, und alles läuft gut«, erklärt sie. »Ich habe gerade nachgeschaut: Er schläft schon fest.«
»Wie geht es Ihnen?« Janna sieht Dossie kritisch an. Ihr Gesicht wirkt angespannt, und unter ihren Augen liegen dunkle Schatten. »Was ist los?«
»Nichts«, gibt Dossie schroff zurück. Sie schüttelt den Kopf, als stellte Janna ihre Antwort in Zweifel. »Nichts«, wiederholt sie. »Warum?«
»Sie sehen nicht gut aus«, sagt Janna. »Kommen Sie schon! Mir können Sie nichts vormachen.«
Dossie holt tief Luft, schaut sich um, als suchte sie nach Unterstützung, und zuckt dann die Schultern. »Es ist Pas Geburtstag. Ich hatte alles geplant, und dann sagt mir Rupert, dass er doch nicht kommen kann. Er hat es mir versprochen, und ich habe es ihnen erzählt und alles, und …« Sie bricht ab und seufzt.
»Nein! Wie bitte? Warum nicht?«, ruft Janna empört aus – und schlägt sofort die Hand vor die Lippen und wirft einen Blick nach oben. »Was sagt er denn?«
Sie spricht jetzt leiser, und Dossie antwortet ihr in der gleichen Lautstärke. Beide sind sich bewusst, dass Jakey in dem Zimmer über ihnen schläft.
»Er hat gemeint, er hätte das Datum nicht wirklich realisiert, als wir darüber gesprochen haben, und seine Mutter hätte ein Familienfest zusammen mit seinen Schwestern und deren Kindern geplant. Er sagt, dass er sie einfach nicht enttäuschen kann, dass der Termin schon seit Ewigkeiten feststeht und er ihn einfach vergessen hatte. Seiner Mutter geht es nicht besonders gut, und er hat das Gefühl, sich dem nicht entziehen zu können.«
Janna wirkt skeptisch, und Dossie verzieht das Gesicht. »Nun ja, ich sehe das Problem«, meint sie zögernd, »und es hat ihm wirklich leidgetan … Ach, ich weiß nicht. Ich bin regelrecht niedergeschlagen darüber und weiß nicht so recht, warum.«
»Da steckt aber noch mehr dahinter, oder?«, erkundigt Janna sich scharfsinnig.
Dossie sieht so untröstlich aus, dass es Janna im Herzen wehtut. »Verdammte Männer«, sagt sie. »Er lässt Sie immer noch am langen Arm verhungern, was?«
Dossie nickt widerstrebend. »Ein bisschen. Ich komme nicht wirklich weiter mit ihm. Er ist lieb und nett und witzig, aber da ist eine Art unsichtbarer Barriere, die ich nicht überwinden kann.«
Sofort fühlt sich Janna an Nat erinnert. »Er ist nicht schwul, oder?«
Dossie starrt sie verblüfft an. »Nein«, gibt sie rasch zurück. »Nein, ich habe Ihnen doch erzählt, dass er verheiratet war.«
Janna zieht eine Grimasse. »Ja und? Jede Menge verheiratete Männer sind schwul. Keine Kinder?«
»Nein, aber das hat nichts zu bedeuten.«
»Nicht unbedingt, doch es ist schon interessant.«
»Ja? Jedenfalls würde ich es merken, wenn er schwul wäre.«
»Wirklich? Nats Mum hatte nie eine Ahnung. Die meisten Leute wussten es nicht. Wir haben miteinander geschlafen, nur einmal, und wenn ich es nicht gewusst hätte, hätte ich nichts bemerkt, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wenn er gekonnt hätte, wäre er lieber hetero gewesen. Aber zu diesem Schritt konnte er sich einfach nicht durchringen.«
»Nein, nein. In dieser Hinsicht ist alles gut, wirklich prima, das kann ich Ihnen versichern. Es ist nur so, dass er sich in keiner Weise auf eine feste Beziehung einlassen will. Ich habe den Eindruck, wir stecken fest, und ich begreife einfach nicht, warum. Doch jetzt muss ich los. Kommen Sie zurecht?«
»Natürlich. Kein Problem.«
Dossie geht leise hinaus, und bald hört Janna den Wagen wegfahren. Mit einem frustrierten Seufzer setzt sie sich. Es bedrückt sie sehr, Dossie so zu sehen. Sie hat den schrecklichen Verdacht, dass etwas nicht stimmt; und je eher Dossie erfährt, was das ist, desto besser für sie. Eine Weile zappt Janna durch die Programme und schaltet dann den Fernseher aus, weil sie sich unruhig fühlt. Clem hat ein Feuer im Kamin angezündet, und sie steht auf, um noch ein Scheit aus dem Korb neben dem Gitterrost zu nehmen und aufzulegen.
Sie wirft einen Blick auf die Uhr: Die Komplet ist vorüber, und im Kloster wird es jetzt still werden. In ihren Zellen werden die Nonnen schreiben, lesen oder sich bereits bettfertig machen, denn ihr Tag ist lang und arbeitsreich. Auch die Gäste werden sich zurückgezogen haben; ihre Zimmerfenster sind erleuchtet. Clems kleines Wohnzimmer erinnert sie an Vater Pascals Salon: Bücherregale an den Wänden, ein paar Gemälde und auf dem
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