Der Duft des Apfelgartens
hinaufgeht, huscht Janna hinter die Frühstückstheke und setzt Wasser auf. Es ist schön, Dossie hier zu haben; mit jedem weiteren Besucher fühlt sie sich mehr zu Hause. Schwester Emily hat schon auf eine Kaffeepause hereingeschaut, genau wie Vater Pascal. Clem und Jakey sind zum Tee gekommen, damit Jakey dem Streifenhasen die lustige Treppe zeigen und ihn auf einen der hohen Schemel setzen konnte, wo er sich mit den gestreiften Armen auf die Theke stützte.
»Das ist ja wie in einem Café«, meinte er erfreut, »und du bist jetzt unsere Kellnerin, Janna. Wir möchten gern zwei Tassen Tee, bitte, und Kuchen.«
Sie ging auf seinen Vorschlag ein und bediente ihn und den Streifenhasen und gab ihnen dann eine Rechnung, die sie auf der Rückseite eines alten Kassenzettels ausgestellt hatte. Clem bezahlte, und sie legte das Geld in eine kleine Tonschale, als Spende für die Luftrettung.
Dossie taucht wieder auf und steigt vorsichtig die Treppe hinunter. »Was für eine Aussicht!«, ruft sie aus. »Man kann ja ganz über die Klippen hinwegsehen. Das ist absolut himmlisch, Janna.« Sie hievt sich auf einen der Schemel. »Aber war das nicht eine schreckliche Geschichte mit dem Mann, der im Nebel in die eingestürzte Höhle gefallen ist? Und Sie mussten sagen, dass Sie ihn kurz vorher auf dem Klippenpfad gesehen hatten.«
Janna schiebt die Tassen über die Theke und kommt auf die andere Seite, um sich neben sie zu setzen. »Es war schrecklich. Ein Unfall, hat sich im Nebel verlaufen. Er ist seit Monaten immer wieder in der Gegend gewesen und hat behauptet, für ein Buch zu recherchieren, obwohl Penny ihm das nie geglaubt hat. Sie sagt, er hätte mit den Leuten zu tun gehabt, die das Kloster in ein Hotel verwandeln wollten. Jedenfalls muss er wohl vollkommen die Orientierung verloren haben.« Sie erschauert. »Stellen Sie sich nur vor, wie furchtbar das gewesen sein muss! Ins Leere zu treten und immer weiter zu fallen, um schließlich auf den Felsen aufzuschlagen. Außerdem kam die Flut herein. Er hatte keine Chance.«
Kurz sitzen die beiden schweigend da und denken darüber nach.
»Und«, sagt Janna dann, »wie steht’s bei Ihnen? Wie läuft es zwischen Ihnen und Rupert?«
Dossie zuckt die Schultern und nickt. »Eigentlich okay. Er musste das Cottage vermieten, was ein wenig ungünstig ist, aber er überlegt, ein neues zu kaufen, das nicht weit entfernt liegt, daher müsste das in Ordnung gehen. Doch er hält mich immer noch auf Abstand. Wenn ich davon anfange, dass er Pa und Mo kennenlernen soll, redet er sich heraus. Ich wünschte nur, ich hätte den Mumm, ihn geradeheraus zu fragen, wie es seiner Meinung nach mit uns weitergehen soll, aber ich bringe einfach nicht so recht den Mut dazu auf. Rupert bestimmt immer noch alles, wenn Sie verstehen, was ich meine, und ich habe nicht den Eindruck, irgendetwas als selbstverständlich voraussetzen zu können. Ich habe immer noch nicht das Gefühl, dass ich einfach bei ihm hereinschneien könnte.«
»Ein bisschen seltsam, nicht wahr?«, pflichtet Janna ihr bei. »Ich frage mich, warum er sich nicht binden will. Ich meine, es ist doch keine große Sache, Ihre Eltern kennenzulernen, oder? Sie sind schließlich beide keine Kinder mehr. Ihr Vater wird ihn schon nicht fragen, ob er ernste Absichten hat. Vielleicht sollten Sie ihn im Cottage überraschen. Was könnte er schon zu verstecken haben? Ich würde gern wissen, warum er sich so ausweichend verhält.«
Während Dossie nach Hause fährt, fragt sie sich das ebenfalls. Ihr Problem wirkt sich inzwischen auf zu viele Menschen aus; Pa und Mo spüren die Anspannung, das merkt sie genau. Gleichzeitig kann sie ihnen unmöglich einfach die Wahrheit sagen. Sie findet nicht die richtigen Worte, um die Beziehung zu beschreiben, und sie kann sich nur zu gut ihre Mienen vorstellen, wenn sie es versuchen würde: verwirrt, mitfühlend und sorgenvoll. Und dann ist da noch Clem. Er ist glücklicher, als er es jemals seit Madeleines Tod gewesen ist; er liebt seine Ausbildung und blickt zuversichtlich in seine und Jakeys Zukunft auf Chi-Meur. Dossie will ihn nicht mit Erklärungen über Rupert belasten, solange sie sich nicht sicher ist, ob er wirklich Teil ihrer Zukunft sein wird.
Als sie durch Crugmeer fährt, steigt die vertraute Verzweiflung in ihr auf, denn vielleicht muss sie sich der Erkenntnis stellen, dass wieder einmal einer ihrer Versuche, Liebe zu finden, fehlgeschlagen ist. Es scheint ihr Schicksal zu sein, dass sie sich
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