Der Duft des Apfelgartens
liegt ihr Handy auf dem Tisch. Sie überlässt Rupert die Initiative und bremst sich, damit sie nicht aufdringlich oder übereifrig wirkt. Aber sie hat momentan ihr Handy immer dabei; er versteht sich sehr gut darauf, schnelle, freundliche SMS zu schicken.
Bin in Wadebridge , schreibt sie. Einkaufen. Später Kaffee im Relish am Foundry Square .
Bin in 20 Minuten da , antwortet er.
Und so sitzt sie hier und wartet. Natürlich wollte sie eigentlich gar keinen Kaffee trinken – sie hatte nach Hause zu Mo, Pa und Jakey fahren wollen –, aber die Gelegenheit ist zu gut, um sie sich entgehen zu lassen. Sie hat die Einkaufstaschen in den Wagen gestellt, ist dann ins Relish gelaufen und schnell auf die Toilette gegangen, um sich ein wenig zurechtzumachen. Und jetzt sitzt sie mit ihrem Latte Macchiato da und tut, als hätte sie das die ganze Zeit vorgehabt. Es ist sogar gut, einen Moment ganz allein dazusitzen. Das Wochenende ist anstrengend gewesen: Natasha war einigermaßen freundlich, aber die Mädchen haben sich benommen, als wäre es eine Zumutung, überhaupt bei ihnen sein zu müssen, sodass eine gewisse Spannung geherrscht hat. Und Jakeys Überschwang war dabei auch nicht hilfreich. Adam hat unter vier Augen angedeutet, Mo und Pa seien zu alt, um auf ihren Urenkel aufzupassen, und sie hat ziemlich ungehalten reagiert.
»Ich bin die meiste Zeit hier«, sagte Dossie. »Oder er fährt mit mir. Und er ist fast fünf. Er ist kein Baby mehr.«
»Mir kommt der Gedanke«, gab er, sehr glatt und spitz, zurück, »dass Clem nie eine Stelle hätte annehmen sollen, die Mo und Pa so unter Druck setzt. In seinem Alter müsste er eigentlich auf eigenen Beinen stehen können.«
Sie starrte ihn an. »Und ich frage mich, warum du das noch nie angesprochen hast«, konterte sie betont leichthin. »Könnte es sein, dass dich jemand anders auf diese Idee gebracht hat?«
Er errötete zornig. Adam wird leicht rot. Als Kind hat ihn das immer in Verlegenheit gestürzt und verärgert. Später erkannte er, dass das Erröten ganz nützlich sein konnte. Seine zarte, durchscheinende Haut glüht dann förmlich, und die hellen blauen Augen blicken frostig drein: Der Gesamteindruck ist ziemlich Furcht einflößend. Dossie hatte allerdings keine Angst. Sie beobachtete ihn weiter.
»Die Idee ist nicht neu«, gab er zurück. »Meine Meinung dazu kennst du ja. Es wird alles zu viel für sie.«
»Pa und Mo haben Jakey gern bei sich, genau wie damals Clem. Schließlich werden sie nie mehr als den einen Enkel und den einen Urenkel haben, nicht wahr? Jedenfalls hat Natasha mir diesen Eindruck vermittelt.«
»Glaubst du etwa«, fragte er leise, »dass du auch nach Mas und Pas Tod noch weiter im Court wohnen kannst? Hast du vielleicht vor, Clem und Jakey dort einziehen zu lassen? Ist das dein Plan? Das wird nicht funktionieren, Dossie. Nicht, solange du mich nicht auszahlen kannst. Bist du dazu in der Lage? Schließlich hast du noch nie Miete oder eine Hypothek bezahlen müssen, stimmt’s? Du hast dich einfach treiben lassen und Mo und Pa als Unterstützung eingespannt, und das möchtest du auch für Clem, oder?«
An diesem Punkt kamen Jakey und die Hunde herein, und Adam wandte sich ab und verließ den Raum.
Jetzt wirft Dossie einen Blick auf ihr Handy und steckt es dann in ihre Handtasche, und als sie aufsieht, ist Rupert da. Ihr Herz macht ein paar komische Sprünge, aber sie lächelt ganz beiläufig und sagt erst etwas, nachdem er Kaffee bestellt hat.
»Sie wirken sehr ernst«, bemerkt er. »Probleme?«
»Ja«, antwortet sie prompt und zu ihrer eigenen Verblüffung. »Ja, mein elender Bruder ist das Problem, und ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll.«
Er wirkt interessiert, mitfühlend – und mit einem Mal fängt sie an zu reden. Sie spricht von Adam und davon, wie er nach mehreren Fehlgeburten zur Welt kam und das große Wunder war, der ersehnte Sohn. Während sie erzählt, stürzen Erinnerungen auf sie ein: an die Länder, in denen sie gelebt haben – Südafrika, Westaustralien –, und die Langstreckenflüge, wenn sie nach den Ferien wieder in die Schule musste.
»Damals lebte Granny noch und wohnte im Court «, erklärt sie, »und ich bin in Truro ins Internat gegangen, daher konnte sie mich manchmal aus der Schule nehmen oder zu Sportfesten, Schulaufführungen und solchen Gelegenheiten kommen. Adam war so ein merkwürdiger kleiner Junge, sehr verschlossen, absolut selbstsicher. Ich war nicht eifersüchtig, weil er noch
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