Der Duft des Apfelgartens
fragte ihn auch nicht nach der Schule oder so, und dann kam Schwester Ruth, die spazieren gegangen war, durch das Tor.
»Guten Tag, junger Mann«, begrüßte sie ihn. »Und was hast du heute in der Schule gelernt?«
»Nichtsss«, brummte er und drehte ihr den Rücken zu, und Daddy packte ihn am Arm, zwang ihn, sich zu entschuldigen, weil er frech gewesen war, schob ihn ins Pförtnerhäuschen und setzte ihn auf die »stille Treppe«.
Nicht lange danach kam Daddy zurück und sagte, dass er jetzt seinen Tee trinken könne, und er antwortete, er wolle nicht. Und dann sah er seinen liebsten Smarties-Kuchen und dachte, vielleicht wolle er doch etwas, doch er wollte nicht nachgeben, weil er es immer noch ungerecht fand. Aber Daddy hockte sich hin und gab ihm einen Kuss. »Alles vorbei, Jakey«, sagte er. »Komm schon. Lass uns von diesem schönen Kuchen essen«, als täte es ihm wirklich leid. Deswegen ist er auf seinen Stuhl geklettert und hat zugesehen, wie Daddy den Kuchen aufschnitt.
Und dann, gerade, als er dachte, alles käme wieder in Ordnung und Daddy würde richtig mit ihm reden, klingelte Daddys Handy, und er nahm es und ging aus dem Zimmer. Also hat er seinen Kuchen allein gegessen und sich verärgert und enttäuscht gefühlt, und da hat sich der Streifenhase dumm benommen, und er hat ihn nach draußen gebracht und auf die unterste Treppenstufe gesetzt.
Jakey schiebt das Spielzeugauto hin und her und ist durcheinander und aufgeregt. Dann geht die Tür auf, und Daddy kommt mit dem Streifenhasen herein. »Hey«, meint er, »sieh mal, wen ich auf der ›stillen Treppe‹ gefunden habe. Er sagt, es tut ihm leid, und fragt, ob er wiederkommen darf?« Er lässt den Streifenhasen auf dem Tisch auf und ab tanzen, sodass Jakey lachen muss und nach ihm greift. »So ist es besser«, sagt Daddy. »Hör mal. Sollen wir zum Strand gehen und Steine für Janna suchen?« Unter der Woche ist das etwas Besonderes, weil er da müde ist und wegen der Schule früh ins Bett muss. Und plötzlich ist er wieder ganz glücklich, hüpft auf und ab und kräht. Daddy lächelt ihm zu, und Jakey hat das Gefühl, dass etwas Schweres von seinem Herzen abgefallen ist. Alles ist in Ordnung.
Janna legt das Handy neben sich auf das Treppchen des Wohnwagens und lehnt sich an die Tür. Der arme Clem! Er klang so zerknirscht.
»Ich komme mir wie ein solches Schwein vor«, hatte er düster gesagt. »Wohlgemerkt, er war wirklich unhöflich zu Schwester Ruth, aber ich glaube, meine Nervosität überträgt sich auf ihn. Armer kleiner Kerl.«
»Na ja, Sie haben Ihren Standpunkt jetzt klargemacht«, hatte sie geantwortet. »Unternehmen Sie nun etwas Besonderes mit ihm. Gehen Sie mit ihm an den Strand und bitten Sie ihn, Steine für mich zu suchen, die ich aufs Fensterbrett legen kann. Das liebt er. Ach, und denken Sie ausnahmsweise mal nicht an seine Bettzeit und so, Clem. Das Wetter ist so herrlich, und nächste Woche soll es schütten. Machen Sie sich eine schöne Zeit mit ihm! Nach dem Abendessen komme ich bei Ihnen vorbei.«
Sie alle spüren die Anspannung. Sogar Schwester Emily wirkt besorgt. Janna zieht sich den Rock bis auf Kniehöhe hoch und schließt die Augen. Schwester Nicolas Bemerkung über das Schweigen hat sie nachdenklich gemacht, und sie beginnt zu erkennen, dass es verschiedene Arten von Stille gibt. Manchmal huscht sie in die Kapelle und setzt sich gleich an der Tür hin. Die Schwestern haben ihr einen eigenen Platz gleich hinter Schwester Emily angeboten, doch sie hatte das Gefühl, das sei zu viel und dass sie sich keinen eigenen Platz verdient hätte. Außerdem mag sie die Freiheit, die es bedeutet, an der Tür zu sitzen; sie kann als Letzte kommen und als Erste gehen. In der leeren Kapelle herrscht Stille; keine Furcht einflößende, leere Stille, sondern das Schweigen eines tief hinabreichenden Friedens, der sie langsamer atmen lässt und sie beruhigt. Wenn eine der Schwestern in stillem Gebet dasitzt, hat die Stille eine andere Qualität, obwohl sie die erste Art von Stille einschließt. Dieses menschlichere Schweigen birgt ein Gefühl der Erwartung, des geduldigen Ausharrens.
Als Janna jetzt in der Sonne auf der Stufe sitzt und die hübschen Zwerghühner um ihre Füße herumpicken, ist sie sich der ländlichen Stille bewusst. Ein Schweigen, das das Summen einer Biene beinhaltet, Vogelgezwitscher und, weiter entfernt, das unablässige Flüstern des Meeres. Clem hat sie eingeladen, sie zum Strand zu begleiten, und sie wäre
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