Der Duft des Apfelgartens
kriegen, sich ihnen anzuschließen. Das ist das Neueste … Nein, das ist der allgemeine Dorfklatsch. Dazu habe ich es nicht nötig, herumzuschleichen und zu spionieren. Ich habe dir ja gesagt, dass die Leute hier die alten Ladys lieben. Niemand will ein Hotel, das kann ich dir versichern … Eine der alten Schachteln ist hier in der Gegend geboren und hat noch Verwandte im Dorf … Okay. Wollte dich nur warnen. Jedenfalls gibt es nichts zu berichten … Nein, ich bin doch jetzt hier, oder? Halte die Ohren offen. Der gute Phil hat seine Nummer abgezogen, doch er schafft es nicht, ihnen Angst einzujagen. Du kapierst es einfach nicht, oder? Sie sind nicht wie die armen kleinen Leute, die du normalerweise tyrannisierst. Diese alten Mädchen haben andere Werte … Ja, ja, meinetwegen, aber du bist nicht vor Ort, oder? Ich halte dich auf dem Laufenden.«
Er klappt sein Handy zu und steckt es in die Tasche. Dann nickt er ein paar jungen Männern zu, die sich, Biergläser in der Hand, an die Mauer lehnen. Sie starren zurück.
»Ich liebe dich auch, Baby«, murmelt er und geht wieder in die Bar.
Die Singdrossel weckt sie. Die klaren, unverkennbaren, dreimal wiederholten Rufe erwecken Erinnerungen an andere Frühlinge und halb vergessene Gefühle, die mit Jugend und Rastlosigkeit zu tun haben. Mo weiß, dass sie jetzt unmöglich wieder einschlafen kann, dreht sich vorsichtig um, weil sie Pa nicht wecken will, und versucht, die kleine Uhr auf dem Nachttisch zu erkennen: Viertel nach fünf. Es ist schon ziemlich hell, und sie gleitet leise aus dem Bett, schiebt die Füße in die Hausschuhe und nimmt ihren Morgenmantel.
Die Hunde heben den Kopf, beobachten sie und warten. Geht sie nur kurz ins Bad, oder ist mehr daran? Mo öffnet die Schlafzimmertür und bedeutet ihnen, ihr zu folgen. Sofort laufen sie schwanzwedelnd über den Treppenabsatz, die Treppe hinunter und in die Küche. Mo schließt die Tür, für den Fall, dass einer von ihnen auf die Idee kommt, wieder nach oben zu schleichen, um Pa oder Dossie zu wecken, zieht den langen Morgenmantel an und bindet den Gürtel fest zu. Dann lässt sie die Tiere durch den Vorraum nach draußen in den Garten.
Mo tauscht ihre Hausschuhe gegen Gummistiefel und folgt ihnen. Sie schlendert über das taufeuchte Gras und bleibt stehen, um einen Zweig von der süß duftenden gelben Azalee abzubrechen, während sie darauf wartet, dass die Sonne aufgeht. Vor ihr hüpft eine Amsel her und hält inne, um nach einem Wurm zu spähen. Der Garten ist von rosig angehauchtem Licht erfüllt und der klare, blasse Himmel purpurfarben und scharlachrot gestreift. Die Drossel, die hoch oben in einer Esche am Rand des Feldes sitzt, singt weiter; zwischen den hellgrünen Blättern kann Mo gerade eben ihre blasse, gefleckte Brust erkennen.
Jetzt fängt weit im Osten der Horizont glitzernd Feuer, und mit einem Mal erstrahlt die ganze Landschaft in leuchtenden Farben, als die Sonne sich von der Erde löst und aufsteigt. Der Garten hat sich in einen magischen Ort verwandelt. Er bebt in einem sanften Leuchten, blitzt auf wie Juwelen und ist von dem reinen, überirdischen Klang ansteigender Laute, Triller und Kadenzen erfüllt, als weitere Vögel in den Gesang der Singdrossel einfallen, um den Morgen zu begrüßen.
Die Hunde kommen zurück und drängen sich fröhlich und mit leuchtenden Augen um Mo, und sie bückt sich, um sie zu streicheln.
»Viel zu früh fürs Frühstück«, murmelt sie und ignoriert John the Baptists hoffnungsvollen Blick. Er setzt sich und gibt Pfötchen. »Nun ja«, lenkt sie ein, »vielleicht einen kleinen Hundekuchen für jeden von euch, während ich meinen Tee trinke.«
Als sie zurück in der Küche sind, lehnt sie sich an den Herd, wartet darauf, dass das Wasser kocht, und denkt über Dossie nach. Jeder Instinkt sagt Mo, dass es in Dossies Leben einen neuen Mann gibt. Sie erkennt die Zeichen und ist besorgt. Zuerst hat sie sich darüber gefreut – Dossie ist so glücklich, beinahe übersprudelnd –, doch nun, da Adam Fragen zu den Testamenten stellt, sieht sie Komplikationen. Nur angenommen, Dossie hat endlich den Richtigen gefunden, und sie entscheidet plötzlich, sich zusammen mit ihm eine neue Wohnung zu suchen oder zu ihm zu ziehen, dann wäre Pas neueste Idee, das Court Dossie zu hinterlassen, vielleicht doch nicht so gut. Wenn sie gar nicht weiter im Court leben will, gibt es keinen Grund dafür, es nicht zu gleichen Teilen ihr und Adam zu vererben.
Mo löffelt Tee in das
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