Der Duft des Bösen
Becky war ratlos. War das der Effekt davon, dass sie als Betreuerin zu Hause blieb und nur wenig Aussicht auf ein Ende ihrer Sklaverei bestand?
Selbstverständlich lief im Fernsehen der am späten Nachmittag und frühen Abend übliche Unterhaltungskram, wogegen anscheinend weder Will noch die Beattys etwas einzuwenden hatten. Bei allen dreien war er im häuslichen Leben der obligatorische Hintergrund, dessen Anwesenheit so normal war wie Licht, Luft und eine ausgeglichene Raumtemperatur. Nur Will schaute tatsächlich hinein, Keith und Kim hingegen warfen während ihrer Unterhaltung ab und zu einen Blick auf den Bildschirm. Genauso bezogen sie James gelegentlich mit einer belanglosen Bemerkung ein. Der schaute auf und nickte oder zog die Augenbrauen hoch. Becky beobachtete, wie Kim zärtlich Wills Hand ergriff. Eigentlich hätte sie erwartet, dass er sie wegschob, aber Will hielt sie fest, sogar sehr fest. Nun, vielleicht käme von dieser Seite unerwartet Schützenhilfe …
Wie lange wollten sie eigentlich bleiben? Ihre Gedanken bewegten sich auf Bahnen, die ihr selbst zuwider waren. Diese Leute, diese Art Leute wusste nie, wann es Zeit zum Gehen war. Von einem eleganten Abgang hatten sie keine Ahnung. Vermutlich würde sie es ihnen taktvoll nahe bringen müssen. Stattdessen ging sie in die Küche hinaus. Sie brauchte unbedingt noch einen Schluck. Hastig stürzte sie den Whisky hinunter, bevor James auf der Suche nach ihr hinterdrein käme, und machte sich dann Gedanken übers Essen. Die Tür ging auf. Eigentlich erwartete sie James, aber es war Kim.
»Eben habe ich überlegt, ob ich Pizza oder etwas vom Chinesen bestellen soll. Was hätten Sie denn gern?«
»Oh, wir bleiben nicht länger. Ich habe schon Tee getrunken, und Denise wird sicher mit Keith rechnen. Becky, ich bin gekommen, um zu sagen – also, mir ist da eine Idee gekommen. Wegen Will, meine ich.«
Ihre Wangen hatten sich gerötet, jetzt sah sie sogar sehr hübsch aus. Becky fiel auf, wie schön ihre Haare geschnitten und wie sauber sie waren. Natürlich, sie war ja Friseuse … »Was denn für eine Idee, Kim?«
»Ich mag Will wirklich gern. Ich weiß ja nicht, ob Sie das wissen, aber ich mag ihn wirklich. Er ist krank gewesen, das weiß ich. Eine Art Nervenzusammenbruch, oder? Ihr Freund hat gesagt, Sie hätten sich freinehmen müssen, damit Sie sich um ihn kümmern konnten, und er sollte jetzt wirklich nach Hause. Und, wissen Sie, ich dachte mir, warum ziehe ich nicht eine Weile bei ihm ein und kümmere mich ein bisschen um ihn?«
»Sie?«
»Ja, nun, ich meine, wissen Sie, ich mag ihn wirklich. Ich weiß, er ist schüchtern und sagt nicht viel. Trotzdem ist er irgendwie nett und zärtlich, und die meisten Typen sind das nicht, wissen Sie. Wenn ich ›einziehen‹ sage, dann meine ich nicht wie Partner. Ich meine, anfangs wäre ich einfach nur da, und eines Tages vielleicht …«
»Dort gibt es aber nur ein Zimmer.« Becky spürte, wie sich ihr im Kopf alles drehte. Vor Schreck oder durch den Whisky? Wahrscheinlich wegen beidem. »Allerdings ist es ein großes Zimmer.« Und wenn man die Schlafcouch in ein Bett verwandelte und einen Paravent aufstellte … »Und dann wäre da ja noch Ihr Job.«
»Das ist nicht weit. Mittags könnte ich heimkommen. Und er wird dann wieder bei Keith arbeiten, oder?«
Sie könnte wieder arbeiten gehen. Sie wäre wieder frei. Außerdem würde es Will gefallen. James und sie könnten echte Rendezvous haben, könnten ausgehen, er könnte über Nacht bleiben, und einmal pro Woche käme Will wie früher tagsüber vorbei. Will und Kim kämen … Sie ließ sich von ihren Gedanken hinreißen.
»Ich würde gern darüber nachdenken.« Sie würde es James erzählen, ihn fragen.
»Ihr Freund ist gegangen«, sagte Kim. »Er meinte, wir sollten Ihnen ausrichten, er hätte weg müssen.«
»Wir werden ihn zappeln lassen«, sagte Anwar. »Der soll ruhig schwitzen.«
»Dreckiger Mörder.« Flint hatte eine fromme Miene aufgesetzt, die totale Missbilligung und höchste Sittsamkeit signalisierte. »Der verdient alles, was er bekommt. Für den ist die Gaskammer noch zu gut. Verabreicht ihm eine Todesspritze, aber ganz langsam.«
Angesichts dieser offensichtlichen Vertrautheit mit Hinrichtungsmethoden verzog Anwar angewidert den Mund. »Halt dein Scheißmaul, ja?«, knurrte er.
Julitta, ihre Sprecherin, war tagsüber zu ihrer Mama nach Watford gefahren und würde vor Mitternacht nicht zurückkommen. Angenommen, Jeremy hätte
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