Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
sagte er, »ich muss mehr wissen, ich muss …«
    »Ciao für heute«, rief sie und legte auf.
    Mit einem Gin Tonic und einem einfachen Käsesandwich trat er auf den Dachgarten hinaus. Seit annähernd sechsunddreißig Stunden hatte er nichts gegessen. Die Hyazinthen waren verblüht. Ihre wachsartigen Blüten waren klebrig und rochen nach Verwesung. Denk nach, sagte er zu sich, denk die Sache logisch durch. Wenn er diese Frau nicht bezahlte, würde sie den Schlüsselring, das Feuerzeug und die Ohrringe zur Polizei bringen. Dass es sich um die echten Ohrringe von Jacky Miller handelte, wäre eindeutig, da deren Freundin das Paar, das er gekauft und in Inez’ Laden hinterlegt hatte, auf Grund der falschen Anzahl Brillanten als unecht identifiziert hatte. Wie würde sie erklären, wie sie dazu gekommen sei? Die Kassette würde sie ihnen selbstverständlich nicht zeigen. Ja, die Sache mit dem Diebstahl war der Polizei bekannt, allerdings nicht, dass ein Bewohner des Hauses in der Star Street in seinem Küchenschrank den fehlenden Schlüsselring, das Feuerzeug und die Ohrringe aufbewahrte. Irgendwie müsste sie die Polizei dazu bringen, diese Gegenstände mit ihm in Verbindung zu bringen. Und das könnte sie nur, indem sie ihnen erzählte, man habe sie aus seiner Wohnung entwendet.
    Allerdings müsste sie die Dinge ja nicht persönlich hinbringen. Sie könnte sie zusammen mit einem anonymen Tarnbrief schicken. Zum Beispiel: Fundstücke aus Jeremy Quicks Wohnung. Warum fragen Sie ihn nicht, woher er das hat? Möglicherweise würde die Polizei misstrauisch, ja sogar angewidert reagieren. Trotzdem könnte sie es sich nicht leisten, die Sache zu ignorieren. Crippen und Co. würden tatsächlich auftauchen und von ihm wissen wollen, woher er das hatte. Selbstverständlich würde er alles abstreiten. Diese Dinge hätte er in seinem ganzen Leben noch nie gesehen. Aber nehmen wir doch mal an, man hätte darauf seine Fingerabdrücke gefunden. Er hatte sie nie abgewischt. An so etwas hatte er nicht einmal gedacht, während er sie in den Händen hielt. Nur die gekauften Ohrringe hatte er abgewischt, bevor er sie im Laden deponierte. Wenn sie seine Fingerabdrücke haben wollten, könnte er sich nicht weigern.
    Außerdem musste er sich der Tatsache stellen, dass dieses Mädchen höchstwahrscheinlich keinen guten Ruf zu verlieren hatte, kein polizeiliches Führungszeugnis, das sie unbedingt sauber halten wollte. Angenommen, man würde sie wegen Raubes unter Anklage stellen und vielleicht mit ihr diesen Freund, an den er eigentlich gar nicht denken wollte. Noch ein potenzieller Erpresser. Wenn das geschähe, warum sollte sie das kümmern? Sie bekäme höchstens Bewährung oder ein paar Wochen Sozialdienst. Allmählich sah Jeremy ein, dass er nicht gewinnen konnte. Es sei denn …
    Am späteren Nachmittag ging er hinunter, um nach eventuellen Wechselstuben in der näheren Umgebung Ausschau zu halten. Bei Bedarf an Fremdwährung hatte er Dollar und Euro bisher am Flughafen gekauft. Wie jeder, der seine Geldgeschäfte immer nur bei einer ganz bestimmten Zweigstelle tätigt, war ihm nie aufgefallen, dass es auch andere Möglichkeiten gab. Doch nun sah er beim Überqueren des Gehwegs, dass vor Mr. Khourys Laden ein Schild hing, auf dem »Geldwechsel zu fairen Kursen« angeboten wurde. Sicher war er schon tausendmal hier vorbeigegangen und hatte nie dieses Schild gesehen beziehungsweise dessen Bedeutung nicht begriffen.
    Probehalber trat er ein, entdeckte das kleine vergitterte Fenster im hinteren Ladenteil, stellte sich davor und sah sich nach irgendwelchen Lebenszeichen um. Wenige Augenblicke später läutete er die Glocke auf dem Tresen, und Mr. Khoury kam von hinten hervor. Bei Jeremys Anblick trat er hinter das Fenstergitter und sagte: »Sir, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ich möchte für hundert Pfund US-Dollar kaufen.«
    »Gewiss. Ich muss es nur rasch umrechnen.« Der Juwelier tippte auf einer Rechenmaschine herum und nannte die Summe. »Gibt es vielleicht einen schönen Urlaub nach Florida?« Als er keine Antwort bekam, meinte er: »Sir, vielleicht wären Sie so freundlich, Mrs. Ferry mitzuteilen, dass ihre Uhr fertig ist.«
    Um ein Haar hätte ihn Jeremy mit offenem Mund angestarrt. Der Mann wusste, dass er im Nachbarhaus wohnte! In der Vergangenheit hatte er sich schon oft darüber gewundert, wie manche Leute die Illusion hegen konnten, in London wüsste niemand, was seine Nachbarn so treiben. Brüsk sagte er: »Nun,

Weitere Kostenlose Bücher