Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
danke, aber ich habe es mir anders überlegt.«
    Schweigend sah ihn Mr. Khoury mit jener undurchschaubaren Miene gehen, die zu dem Trugschluss geführt hat, dass jeder, der östlich von Suez geboren ist, ausgeglichen und fatalistisch sei und sich dem Kismet ergeben habe.
    Immerhin weiß ich jetzt, wie das geht, dachte Jeremy. Hieß das, dass er sich der Forderung des Mädchens beugen wollte? Ohne konkretes Ziel machte er sich auf den Weg nach Westen und gelangte über die Norfolk Street Richtung Bayswater Road und Kensington Gardens. Er hatte ein Bedürfnis nach frischer Luft, genau wie vorher nach Essen. Und in den Königlichen Gärten war die Luft immer frisch, egal, wie sehr in den verstopften Straßen dicke Luft herrschen mochte.
    Er überquerte die große Durchgangsstraße und spazierte auf einem der Gehwege Richtung Kensington und Round Pond. Es war sonnig und ziemlich warm, ja sogar heiß, was ihm bis jetzt nicht aufgefallen war. Überall im Gras lagen Pärchen und einzelne Personen. An solchen Orten schien es immer mehr junge Mädchen als in anderen Teilen der Bevölkerung zu geben. Haben sie keinen Job, keine Babys oder andere Beschäftigungen? Müssen sie immer ziellos hier drinnen herumschlendern und unentwegt schnattern, die einen Arm in Arm, die anderen nebeneinander? Dutzende waren an ihm vorbeigegangen, ohne dass auch nur eine diese gefürchtete und furchtbare Erregung in ihm wachgerufen hätte. Er warf sich mitten unter ihnen aufs Gras und atmete den grünen warmen Duft ein.

22
    Sie hatte James nicht um Rat gefragt, sondern stellte ihn vor vollendete Tatsachen.
    »Das wirst du nie bereuen«, sagte er. Seine Gefühllosigkeit verwunderte sie.
    Hatte sie es seitdem nicht mindestens zur Hälfte bereut? Die scheinbar für immer beschwichtigten Schuldgefühle waren wieder da, und zwar schmerzhafter und drängender als je zuvor. Obwohl sie wieder arbeiten ging, hatte es in ihrem Tagesablauf kaum einen Moment gegeben, in dem sie nicht in Gedanken bei Will gewesen wäre. Trotz ihres Entschlusses, nicht zu telefonieren, hatte sie schließlich nachgegeben und eine Stunde vor James’ Eintreffen mit Kim gesprochen. Es gehe ihnen gut, sagte Kim, sie würden fernsehen. Sie hatte beschlossen, mit Will essen zu gehen, und er hatte gemeint, das möge er. »Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte sie, aber natürlich wusste sie nicht wirklich Bescheid, worüber man sich hier Gedanken machen musste.
    Bei einem Blick in den Spiegel wurde Becky klar, dass sie in den letzten zwei, drei Wochen herzlich wenig auf ihr Äußeres geachtet hatte. Ihre Haare waren stumpf und zerzaust, ihr Gesicht hatte Sorgenfalten und durch den ganzen Alkohol hatte sie zugenommen. Sie sah so alt aus, wie sie war, wenn nicht älter. Eine lange heiße Dusche, eine Gesichtsmaske, Shampoo und Pflegespülung halfen ein ganzes Stück weiter. Sie besprühte sich am ganzen Körper mit Bobbi-Brown-Parfüm, massierte ihre Hände mit Creme und streifte ein Kleid über, das sie noch nie getragen hatte. Nachdem sie es heimgebracht hatte, war ihr der Ausschnitt zu tief und die Farbe zu grell erschienen.
    Fünf Minuten vor seinem vereinbarten Eintreffen machte sie sich einen großen Gin Tonic mit viel Gin und kaum etwas anderem. Zwangsläufig kippte sie ihn schnell hinunter. Die verdächtigen Spuren gurgelte sie mit einem übel schmeckenden Mundwasser fort.
    James lobte ihr Aussehen und meinte, wie wunderbar es sei, endlich mit ihr allein zu sein. Aber kaum waren sie eine halbe Stunde beisammen, keimte in ihr der Verdacht auf, er wolle sie bestrafen. In seinem Kopf musste irgendwo die Idee herumspuken, er hätte leiden müssen – ihretwegen.
    Sie gingen in ein Restaurant in Hampstead, ein In-Lokal, über das trendige Restaurantkritiker viel geschrieben hatten. Man bestellte die Getränke, und als sie kamen, stießen sie miteinander an.
    »Ich frage mich«, meinte James nachdenklich, »wie viele Männer das aushalten würden, was ich die letzten Wochen ertragen habe.«
    Am liebsten hätte sie gesagt, er hätte ja nicht so oft kommen müssen. Damals war ihr manchmal der Gedanke gekommen, er habe masochistische Züge, wie er unablässig zu Besuch kam und dann nur mürrisch herumsaß und sich einzig und allein diesem Kreuzworträtsel widmete. Laut sagte sie: »Ich weiß, wie hart das war.«
    »Davon bin ich nicht überzeugt.« Um seinen Worten den Stachel zu nehmen, lächelte er und legte seine Hand über ihre, die auf dem Tisch lag. »Dafür wirst du mich

Weitere Kostenlose Bücher