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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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sein. Er hatte zwar ein- oder zweimal erwähnt, dass es ihm am liebsten wäre, wenn auch Becky mitkäme und bei ihm bliebe, doch das erwähnte sie Kim gegenüber nicht. Sie packte seine Sachen zusammen und brach früh mit dem Auto auf. Unterwegs hielt sie noch am großen Laden von Sainsbury’s in der Finchley Road und kaufte einen Vorrat von Wills Lieblingsessen ein sowie ein paar Sachen, von denen sie dachte, Kim könnte das mögen.
    Alles passierte früh, wie immer, wenn man sich etwas unbedingt wünscht. Zum Beispiel die Fahrt zum Flughafen, wenn man sich nach dem Zielpunkt sehnt, oder der Zeitpunkt, zu dem man zu einem Termin kommt, von dem scheinbar die ganze Zukunft abhängt. Und dann läuft man zehn Minuten vor dem Treffpunkt draußen auf der Straße hin und her. Becky brachte Will um vier Uhr in die Star Street, obwohl sie wusste, dass Kim nicht vor fünf da sein konnte. Sie nahmen den Seiteneingang und gingen die Treppe hinauf. Die Wohnung war abgesperrt gewesen. Es roch nach abgestandener Luft und Staub. Becky öffnete die Fenster, staubte alles ab, kochte Tee und richtete das eben gekaufte Gebäck her. Da waren sie wieder, die Schuldgefühle, die sich nicht gemeldet hatten, solange sie ihre Pflicht erfüllt hatte. Und sie fragte sich insgeheim, was wohl ihre Schwester von ihr gedacht hätte, da sie sich so sehr danach sehnte, dieses arme Kind loszuwerden, ihren einzigen Verwandten, den kleinen Jungen, der keine Mutter mehr hatte und – nicht ganz wie andere kleine Jungen war.
    Punkt fünf klingelte Kim laut und mehrfach. Becky lief hinunter und öffnete die Tür.
    »Bin ich zu spät?«
    »Du bist ganz pünktlich.« Es geht nicht darum, dass du den einzigen Zug erreichst, der heute geht, hätte Becky am liebsten gesagt. Und du bewirbst dich auch nicht um das Interview deines Lebens. Doch das hätte Kim genauso wenig verstanden wie Will. Stattdessen lächelte sie.
    Selbstverständlich war ihr klar, dass sie jetzt nicht sofort gehen konnte. Sie musste bleiben und Kim zeigen, wo alles war, und ihr alles erklären. Sie musste ihr die Sache mit der Alarmanlage sagen und von den anderen Mietern erzählen. Sie musste einfach bleiben, damit es nicht aussah, als würde sie am liebsten gehen. Letztlich kochte sie ihnen noch ein Essen, Schweinekoteletts mit Kartoffelbrei und Karotten und Erbsen. Immer wieder sagte Kim, wie hübsch es hier sei und wie sehr ihr die Wohnung gefalle. Sie staunte über die Ausmaße des Zimmers, über die große Schlafnische hinter dem Trennvorhang und wie bequem das provisorische Bett war. Die düstere russische Musik, die lautstark von nebenan herüberdrang, schwappte ungehört über sie hinweg.
    Als sie ging, war es schon neun Uhr. Kim und Will saßen vor dem Fernseher, aus Ludmillas Wohnung drang kein Ton mehr. Während Becky ins Auto stieg, fragte sie sich, ob sie ein Recht hätte zu gehen. Wäre es nicht besser gewesen, wenn sie Will für eine weitere Nacht mitgenommen hätte? Aber was könnte letztlich passieren? Sie hatte Kim gesagt, sie solle anrufen, wenn er bekümmert wirke. Sie könne sie jederzeit anrufen, und sie käme. Die Nacht ging vorbei. Seltsamerweise schlief sie. Im Schlaf suchten sie Träume von ihrer Schwester und von Will als Baby heim, aber sonst blieb sie ungestört.
     
    Seit dem Einbruch hatte Jeremy nicht mehr auf seinen Tee vorbeigeschaut. Morgen für Morgen hatte Inez wie üblich zwei Tassen hergerichtet, aber nur eine war benutzt worden. Dass er oben war, wusste sie. Sie hatte seine Schritte auf der Treppe gehört und ihn von der Straße aus an einem seiner Fenster gesehen. Offensichtlich hatte er beschlossen, sie fallen zu lassen, falls man jemanden, von dem man eine Wohnung gemietet hatte und der im selben Haus wohnte, überhaupt fallen lassen konnte. Ihr Stolz war zwar ein wenig verletzt, aber ihre Gefühle nicht. Es würde sie nicht überraschen, wenn sein Rückzug von den morgendlichen Treffen im Laden der erste Schritt zum Auszug wäre. Eines schönen Tages würde er einfach hereinspazieren und ihr seine Kündigung überreichen.
    »William ist wieder da«, sagte Freddy, als er zur Hintertür hereinschlenderte. Aus irgendeinem Grund schien er seit dem Einbruch beschlossen zu haben, man dürfe Inez nie mehr allein im Laden lassen. Und so hatte er entschieden, er würde ihr zwischen neun Uhr und Viertel vor zehn jeweils eine gute Dreiviertelstunde »unter die Arme greifen«. »Außerdem hat er eine junge Dame mitgebracht.«
    »Sie meinen Becky?«
    »O

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