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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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dünn, und hatte blonde Haare. Und doch wusste er eines: Nichts von allem war entscheidend … Vielleicht noch die Tatsache, dass sie ungefähr im passenden Alter war. Er konnte das Parfüm riechen, das hinter ihr in der Luft hing. Süßlich, blumig, warm. Der letzte Rest, dieses ganz bestimmte Etwas, entzog sich ihm, wie immer. Er sah ihr nach, wie sie die Straße überquerte und weiter zum Norfolk Place hinauf ging. Als sie außer Sichtweite war, betrat er durch den Mietereingang das Eckhaus.
    Er setzte sich auf den Dachgarten und zählte das Geld. Nur etwas mehr als viertausend, und ihm blieben nur noch vier Tage, wobei der Sonntag nicht zählte. Damit hatte er eigentlich nur Montag und Dienstag, denn mittwochs müsste er hier sein, um ihren Anruf entgegenzunehmen. Wollte er es ihr tatsächlich geben, das ganze schöne Geld? Eher würde er sie töten, dachte er. Töten, obwohl ihr – höchstwahrscheinlich – die nötige Voraussetzung dafür fehlte. Aber er konnte sie gar nicht töten. Das würde ihn nicht retten, sondern alles nur noch schlimmer machen. Der Freund wäre auf alle Fälle in die Sache verwickelt, wenn auch sonst niemand, und vielleicht auch ihr Vater. Bring sie um, und sie gehen sofort mit den Ohrringen, dem Feuerzeug und der Uhr zur Polizei. Sie könnten ja behaupten, sie hätten beobachtet, wie er die Sachen in einen Abfalleimer geworfen hatte, hätten sie herausgeholt und der Justiz übergeben. Erpressung? Das Mädchen hätte nur mit ihm telefoniert, um zu sagen, sie habe seinen Besitz gefunden und wolle ihn zurückgeben …
    Und da waren sie wieder. Von seinem Sitzplatz aus sah er ein Auto die Bridgnorth Street entlang kommen, das er für Zuluetas Wagen hielt. Als er in die Wohnung zurückging und zu einem der Vorderfenster hinaussah, parkte er gerade am gelben Strich ein – eine echte Frechheit. Ein zweiter DC begleitete ihn. Sie saßen da und überwachten den Eckladen. Aber Jeremy wusste, er hätte diesbezüglich nichts zu befürchten. Um Will Cobbett ging es, der wurde überwacht.
    Er schaute weiter hinaus, sah einen türkisfarbenen Jaguar ankommen und Morton Phibling aussteigen. Würden die beiden, Zulueta und – Jones, nicht wahr? – etwas gegen den Wagen auf dem für Anwohner reservierten Parkbereich unternehmen? Vermutlich wäre es unter ihrer Würde, sich auf das Niveau von Verkehrspolizisten zu begeben. Jeremy musste hinaus und sich mehr Geld verschaffen. Als er erneut auf die Straße trat, sah er, dass er sich, was Zulueta und Jones betraf, geirrt hatte. Entgegen seiner Erwartung scherten sie sich nur wenig um ihren Status, denn da standen sie schon neben dem Fahrerfenster des Jaguars und hielten Phiblings hilflosem Chauffeur eine Standpauke.
    Er zitterte ein wenig. Er hatte sich geirrt. Sollten sich die Dinge von jetzt an so entwickeln? Nahte das Ende seiner Unfehlbarkeit, seines Erfolgs, seines Doppellebens, seiner Unverletzlichkeit? Zwei Zeilen aus einem Theaterstück fielen ihm ein, das er vor langer Zeit in Nottingham gesehen hatte. An den Titel konnte er sich nicht mehr erinnern, aber die Zeilen wusste er noch auswendig: »Aus ist der helle Tag, und wir gehen nun ins Dunkel Ich gehe ins Dunkel.«

23
    Gezwungenermaßen hatte sie James gebeten, wegzubleiben.
    »Ich dachte, von nun an würden wir unsere Wochenenden gemeinsam verbringen.«
    »James, es tut mir Leid, aber manchmal muss ich mich einfach um Will kümmern, nachdem er doch jetzt nicht mehr hier wohnt. Ich habe ihm gegenüber eine Verpflichtung, ich kann ihn nicht einfach fallen lassen.«
    »Das verstehe ich«, sagte er, »aber muss es unbedingt am Wochenende sein?«
    »An einem Werktag ginge es doch nur abends, weil ich jetzt wieder in der Arbeit bin.« Der nächste Satz würde eine Explosion auslösen, das wusste sie. »Will mag seine Hauptmahlzeit am liebsten mittags.«
    »Und ich« – James brüllte fast – »mag meine, wie alle zivilisierten Menschen, abends. Wie du auch. Warum muss sich alles seinen lächerlichen Arbeiterklasse-Regeln fügen? Seinem Zeitplan aus der Jugendstrafanstalt?«
    »Es war ein Kinderheim«, sagte sie, wobei sie sich bemühte, nicht die Geduld zu verlieren. »Dadurch wurden seine Gewohnheiten genauso geprägt wie deine von den Eltern, die dich erzogen haben. Eltern hatte Will keine, er hatte Sozialarbeiter.«
    »Wie du mir bereits wiederholte Male erzählt hast. Mir ist schleierhaft, warum du ihn nicht adoptiert hast.« Seine unfaire Art nahm ihr fast die Luft zum Atmen. »Merkst du

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