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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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einmal versuchte, würde sie vielleicht nicht mehr so nett sein.
    Keith hatte mit Doppelkreisbewegungen die letzte Tür fertig poliert. Er legte das Knäuel aus Baumwolle und Lumpen beiseite und sagte: »Für heute können wir Schluss machen, Kumpel. Bist du auch bald fertig?«
    Nickend deutete Will auf das letzte Stück unlackierten Fensterrahmen. Das würde keine halbe Stunde mehr dauern. »Dann heißt es, früh nach Hause«, meinte Keith. »Nimm dir den Nachmittag frei, ja? Morgen früh fangen wir dann gleich in den Wohnungen drunten am Ladbroke Grove an.«
    »In Ordnung«, erwiderte Will seufzend.
    »Ich hole dich dann Punkt acht in der Star Street ab, o.k.?«
    Becky konnte er nicht fragen und Inez auch nicht. Keith hatte keine Ahnung. Ludmilla und Freddy wirkten auf Will erdrückend. Er sprach nie mit ihnen, es sei denn, sie machten den Anfang. Und was Mr. Quick betraf, den fürchtete Will. Irgendetwas an ihm erinnerte ihn an den Arzt, der einmal gekommen war, um sich mit ihm zu unterhalten, und der ihm Blut abgenommen hatte, um etwas herauszufinden. Vielleicht der Klang seiner Stimme oder seine grauvioletten Augen. Eine Farbe wie abgestorbene Tulpen, dachte Will. Sie glichen weder Menschenaugen noch denen von Tieren. Und wenn er Mr. Quick im Treppenhaus begegnete, was gelegentlich vorkam, versuchte er, ihn nicht anzusehen.
    Monty wüsste vielleicht, wo die Sixth Avenue lag. Es war schon wieder einige Wochen her, seit sich Monty bei ihm gemeldet und ihn gefragt hatte, ob er mit ihm etwas trinken gehen möchte. Aber obwohl Will seine Telefonnummer hatte, würde er ihn nicht anrufen. Er rief nie jemanden an. Da er nun so viel früher daheim war als sonst, nahm er allen Mut zusammen, ging zum Zeitungshändler in der Edgware Road und fragte ihn. Zuerst kaufte er einen Riegel Mars, und dann kam die Frage: »Wo ist die Sixth Avenue?«
    »Sixth Avenue?« Der Mann war erst vor wenigen Jahren aus der Türkei nach London gekommen, hatte eine Libanesin geheiratet und wohnte in einer Wohnung im Lilestone Estate. Abgesehen von Antalya gab es nur einen Teil der Welt, den er gut kannte: Alles, was zwischen hier und der Baker Street lag. »Keine Ahnung.« Er zog einen Londoner Straßenatlas aus dem Regal und gab ihn Will. »Du schauen«, sagte er.
    Aber Will hatte keine Ahnung, wo er schauen sollte, geschweige denn, wie man das machte. Verzweifelt blätterte er durch die Seiten und gab das Buch dann wieder zurück. Inzwischen verkaufte der Türke einem anderen Kunden eine Vogue und den Evening Standard. Eigentlich wollte Will durch die Tür zum Treppenhaus wieder in seine Wohnung gehen, musste dafür aber am Schaufenster vorbei. Dabei winkte ihm Inez lächelnd zu. Also trat er zögernd ein. Neben der Ladenkasse stand Zeinab mit einem riesigen Blumenstrauß, der in rosa Papier eingewickelt und mit einer rosa Schleife verziert war.
    »Du hast aber früh aufgehört, Will«, sagte Inez.
    Will nickte, sagte aber nichts, obwohl ihn solche Bemerkungen freuten und ihm gut taten. Sie waren wahr, und er konnte sie begreifen.
    Zeinab las laut die Karte vor, die an den Blumen hing. »Der einzigen Frau auf der ganzen Welt, die es für mich gibt. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Schatz. In ewiger Liebe, dein Rowley.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du heute Geburtstag hast«, sagte Inez.
    »Habe ich auch nicht, aber er bildet sich das ein«, meinte Zeinab, womit sie jemandem wie Inez, die gern Charaktere analysierte, erneut einen Hinweis darauf lieferte, dass sie es möglicherweise mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm. »Was soll ich nur damit machen? Ich kann mir das Gesicht meines Paps direkt vorstellen, wenn ich den Riesenstrauß nach Hause bringe.« Ohne Will zu fragen, drückte sie ihm plötzlich sämtliche Tulpen, Anemonen, Narzissen, Hyazinthen und bunten Freesien in die Hände. »Da, nimm, schenk sie deiner Freundin.«
    Sie lebte in einer Welt, in der es undenkbar war, dass ein junger Mensch keinen Partner haben konnte. Will stotterte ein »Dankeschön« und lief schnell zur Hintertür, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Blumen liebte er, und doch hatte ihm zuvor noch nie jemand welche geschenkt. Die nächste Stunde verbrachte er glücklich damit, sie in jedem erdenklichen Gefäß zu arrangieren, in das man Wasser schütten konnte.
     
    Um fünf Uhr tauchte wieder der weiße Van mit dem Nichtwaschen-Zettel in der Star Street auf. Ein Mann kletterte vom Fahrersitz und lief die Straße hinauf, noch ehe Inez

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