Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
machen sollen, okay?«
Er nickte wieder und steckte Zettel und Stift in die Brusttasche seines Jeanshemdes. »Ja, klar. Mach ich.« Er grinste sie aufmunternd an. »Ich warte aber bis morgen früh. Wenn ich jetzt anrufe, werfe ich sie aus dem Bett, und dann glauben sie mir nie, dass es dir gut geht.« Er sah zur Seite, und sein Blick fiel auf das Buch. Nichts wollte er lieber, als sie von ihrem Kummer abzulenken. »Hier. Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe. Einen Reiseführer über den australischen Süden. Ich dachte, du hättest es ernst gemeint, als du mir an deinem ersten Tag im Hotel sagtest, es gefalle dir hier. Vielleicht magst du ja mal reinschauen und entdeckst etwas, das dich interessiert?« Er machte eine Pause und beobachtete ihre Reaktion.
Sie war verlegen, schien sich aber darüber zu freuen. Oliver sah sie offen an. »Es wäre schön, wenn ich dir hier die Gegend zeigen dürfte. Natürlich erst, wenn es dir besser geht.«
Sarah griff nach dem Buch und betrachtete den Einband. Sie mochte Oliver. Dennoch nagte ihre psychische Niederlage in den vielen stillen Stunden noch sehr an ihr. Auch der Gedanke an Wolf und ihr Zuhause brachte siehäufig aus dem Gleichgewicht. Aber Oliver verdiente es nicht, dass sie ihn vor den Kopf stieß. Außerdem half ihr die Vorstellung, nicht gleich wieder ganz allein in diesem großen Land unterwegs zu sein. Sie fürchtete sich vor der bodenlosen Einsamkeit, die sie zum ersten Mal in ihrem Leben auf der langen Fahrt verspürt und die in gewisser Weise einen Sieg davongetragen hatte. In der nächsten Zeit wollte sie ihren Gedanken nicht mehr so hilflos ausgeliefert sein. Vorsichtig lächelnd sah sie auf. »Danke. Ich glaube, das ist eine wirklich gute Idee. Ein wenig Zeit werde ich aber wohl noch brauchen.«
6
D as Telefon klingelte schon zum vierten Mal, als sich Julia Berndes endlich meldete. Atemlos lauschte sie den Erklärungen eines ihr fremden Australiers, der aus einem ihr unbekannten Ort namens Warren Creek anrief und ihr versicherte, es gehe ihrer Tochter Sarah gut. Verwirrt und besorgt zugleich wartete sie eine Pause ab.
»Mr. Johnson? Ich danke Ihnen, dass sie sich bei uns melden, aber warum ruft Sarah uns nicht selber an? Ist sie gesund? Geht es ihr wirklich gut?«
Oliver wurde es plötzlich warm. Ihre offensichtliche Sorge belastete ihn mehr, als er sich vorgestellt hatte. »Mrs. Berndes, ich versichere Ihnen, dass sie sich bald persönlich bei Ihnen melden wird. Die Sache mit ihrem Lebensgefährten hat sie sehr mitgenommen, und sie möchte im Moment nicht darüber sprechen. Sie erholt sich gerade ein wenig, wobei wir uns übrigens kennen gelernt haben, und will dann zu ihren Großeltern weiterreisen, die sie momentan einfach nicht beunruhigen möchte, so durcheinander, wie sie ist.«
Er zögerte, als keine Entgegnung kam, und fühlte sich unwohl. Sarahs Mutter schien genau zu spüren, dass er sie beschwichtigen wollte, stellte jedoch keine weiteren Fragen.
»Nochmals vielen Dank für Ihre Mühe, Mr. Johnson. Sagen Sie Sarah, dass sie uns sehr fehlt und dass sie sich bitte bei uns melden soll.«
»Das mache ich, Mrs. Berndes. Sie lässt Ihnen auch ausrichten, dass sie Sie liebt und dass Sie sich keine Sorgen machen sollen.«
Julia musste schlucken, ihre Kehle wurde plötzlich eng. »Danke. Das würde ich natürlich gern von ihr selber hören.«
»Das verstehe ich. Haben Sie nur noch ein wenig Geduld mit ihr. Sie wird es Ihnen bald selber sagen. Alles Gute für Sie und Ihre Familie.«
»Danke, für Sie auch.«
Langsam ließ Julia den Hörer sinken und starrte aus dem Fenster. Im Garten wirbelte der Wind buntes Laub durch die Beete. Julias Herz hämmerte. Zornig legte sie den Hörer auf die Ladestation zurück. Was dachte sich Sarah bloß? Sie musste doch wissen, wie sehr sich ihr Vater und sie um sie sorgten. Julias blaugraue Augen wanderten zu einem bunten Windspiel, das von einem Apfelbaum herabhing und sich munter um die eigene Achse drehte. Nie hatte es ernsthafte Schwierigkeiten mit Sarah gegeben. Und jetzt? Mit vierundzwanzig Jahren packte sie ein paar Sachen zusammen und verschwand nach Australien! Julia strich sich eine Haarsträhne zurück und seufzte. Ihre rechte Hand glitt in die Tasche der flauschigen grauen Weste, die sie so gern zur Gartenarbeit trug, und zog ein Stück Papier hervor. Etwas verknittert hielt sie das letzte Lebenszeichen ihrer Tochter in den Händen. Einen karierten Notizzettel, auf dem sich ihre schwungvolle
Weitere Kostenlose Bücher