Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
nicht hatte trösten können. Schade, dass sie kein Kind mehr war. Sie schloss die Augen. Einen kurzen Moment lang sehnte sie sich danach, wieder klein zu sein und in die Arme ihrer Mutter flüchten zu dürfen. Sie atmete tief durch. Nein. Sie musste ihr Leben allein in den Griff bekommen. Doch trotz ihrer Entschlossenheit klang ihre Stimme noch ein wenig leise. »Nein, Mama. Das ist sehr lieb von dir, doch ich glaube, damit muss ich jetzt wirklich allein fertig werden.«
Julia verstand. »Ist gut, mein Mädchen. Aber wenn du mich brauchst, bin ich da, okay?« Sie zögerte erneut. »Sarah? Wolf hat schon mehrfach nach dir gefragt...« Sarah wurde es augenblicklich zu warm, und ihre Wangen brannten. »Ich will nicht mit ihm reden, und sagt ihm nicht, wo ich bin, ja?« Sie unterbrach sich und schwieg einen Moment. »Ich habe nicht geglaubt, dass ich ohne ihn leben kann, aber jetzt geht es mir langsam besser. Ich will nicht, dass er noch einmal so eine Macht über mich bekommt, verstehst du?«
»Ist ja gut, Schatz. Von mir erfahrt er nichts. Meldest du dich bald wieder, damit wir wissen, dass es dir gut geht?«
Sarah lächelte unwillkürlich. Ihre Mutter schaffte es immer wieder, dass sie sich wie ein Teenager fühlte. »Aber ja, Mama. Bestimmt! Und grüß bitte alle von mir, ja?«
»Mach ich. Gib auf dich Acht, Liebling. Bis bald.« Sarah beendete die Verbindung und ließ das Handy in die Tasche ihrer weiten Strickjacke gleiten. Dann lehnte sie sich auf der Bank zurück. Sie schloss die Augen und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht, während ihre Gedanken um das eben geführte Gespräch kreisten. Sie fühlte sich erleichtert, dass sie endlich ihre Familie beruhigt hatte. Stirnrunzelnd fiel ihr ein, dass Wolf nach ihr gefragt hatte. Sie dachte nach. Immer noch zuckte sie bei seinem Namen zusammen, litt unter der Enttäuschung, die er ihr zugefügt hatte, wollte ihn aber trotzdem nicht mehr. Etwas in ihr war zerbrochen, und sie ahnte, dass sich diese Liebe nicht mehr würde kitten lassen. Seufzend rieb sie sich die Schläfen. Sie verharrte einen Moment, bevor sie tief durchatmete, aufstand und langsam zurückschlenderte. Irgendwann wäre sie so weit, dass er keine Gefahr mehr für sie darstellte, irgendwann würde sie ihm ins Gesicht sagen können, was sie von ihm hielt, aber noch fühlte sie sich dazu nicht stark genug.
8
W olfgang Born stieg aus der Duschkabine, schlang sich ein Badetuch um die Hüften und rubbelte mit einem weiteren Handtuch seine Haare trocken. Zufrieden musterte er anschließend sein Spiegelbild und kämmte sich. Sein blondes Haar passte gut zu seinen stahlblauen Augen, die selbstbewusst in die Welt sahen. Sein sportlich-muskulöser Körper war vom letzten Sommerurlaub noch leicht gebräunt. Als er das Bad verlassen wollte, fiel sein Blick auf Sarahs Bademantel, der an einem Haken hinter der Tür hing. Er zögerte einen Moment, beugte sich dann vor und drückte sein Gesicht in den weichen Frotteestoff. Er holte tief Luft. Noch immer konnte er eine Spur ihres Lieblingsduftes wahrnehmen.
Nie hätte er sich vorgestellt, dass sie ihm so fehlen würde. Ärgerlich auf sich selbst, schüttelte er den Kopf und verließ den Raum. Sicher, er verbrachte jetzt viel Zeit mit Teresa, doch immer mehr wurde ihm klar, wie sehr er Sarah vermisste. Dass sie einfach so überstürzt abgereist war, ja, gewissermaßen kampflos das Feld geräumt hatte, ohne ihm eine Chance für Erklärungen zu lassen, hatte ihn getroffen. Sarah war warmherzig, fröhlich und ehrlich gewesen. Er schluckte, als er daran dachte, dass er sie in einigen Monaten hatte heiraten wollen. Verglichen mit Teresa, der temperamentvollen Halbspanierin, die er während eines Seminars kennen gelernt hatte, wirkte Sarah allerdings ein wenig unspektakulär. Sie liebte es nicht, sich aufzubrezeln, wiesie ihm stets versicherte, wenn er ihr beim Einkaufsbummel ein paar hochhackige Pumps oder einen Minirock hingehalten hatte. Meist hatte sie die Kleidungsstücke lächelnd wieder weggelegt und ihm erklärt, ihre Grundschüler würden sich totlachen, wenn sie so dahergestöckelt käme. Auch bei Feierlichkeiten aus beruflichem Anlass, zu denen er sie dann und wann mitnahm, hatte sie sich selten richtig wohl gefühlt. Für seinen Geschmack war sie dort stets zu zurückhaltend gewesen. Ihre Unsicherheit und ihr mangelndes Selbstbewusstsein waren ihm des Öfteren auf die Nerven gegangen. Er war jetzt im Schlafzimmer und band sich vor dem Spiegel
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