Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
selbst? Oder denjenigen, der deine Liebe offensichtlich nicht verdient?«
Sie sah ihn unsicher an und betrachtete dann angestrengt die Schublade ihres Schränkchens, als müsste sie sich jede einzelne Schramme daran einprägen.
Seine Stimme klang wieder weicher. »Weißt du was? Es ist mir nicht egal, ob du lebendig oder tot bist. Und ich mache jede Wette, dass ich nicht der Einzige auf der Welt bin, dem es so geht, hm?« Er lächelte. »In den meisten negativen Dingen, die uns widerfahren, liegt ein tieferer Sinn. Den erkennen wir aber in der Regel erst viel später.« Oliver sah auf die Uhr. Das sollte für heutereichen, er wollte sie nicht überfordern oder riskieren, dass diese erste Stufe des Vertrauens umkippte. Er stand auf und blieb an ihrem Bett stehen.
»Versprichst du mir etwas?«
Sie sah ihn abwartend an.
»Ich möchte, dass du mir versprichst, hier erst einmal ruhig liegen zu bleiben und keinen Blödsinn mehr zu machen. Wenn du mir das zusagst, werde ich mit den Ärzten sprechen, ob sie darauf« – er deutete auf die Bandagen – »nicht vielleicht verzichten können.«
Ihre Augen waren seinem Hinweis gefolgt, und ihm war ihr erschrockener Ausdruck nicht entgangen.
»Keine Angst, wir sind hier nicht im Gruselkabinett. Aber dies ist kein Klinikgroßbetrieb, hier gibt es keine eigene psychiatrische Abteilung und auch nicht genügend Personal, um ständig jemanden an deinem Bett sitzen zu lassen. Deshalb, nehme ich an, hat man auf die Bandagen zurückgegriffen.« Er berührte kurz ihre Hand. »Also, gibst du mir dein Wort darauf, hier nicht noch einen Versuch zu starten, den Ärzten neue Arbeit zu verschaffen?«
Sie nickte ernst, während sie ihm nachsah, als er zur Tür ging. Er blickte sich noch einmal um.
»Ich komme morgen wieder.«
Sarah betrachtete die Tür, die sich leise schloss. Sie war müde geworden, und in ihrem operierten Arm pulsierte ein reißender Schmerz. Dennoch fühlte sie sich ein wenig besser. Nachdenklich lauschte sie dem Piepsen der Geräte und dachte an Wolf. Merkwürdigerweise konnte sie das in diesem Moment ohne die todbringende Verzweiflung, die sie gestern noch vollkommen ausgefüllthatte. Es kam ihr vor, als wäre ihr Selbstmordversuch eine Art Ventil gewesen, durch das ihre übermächtigen Gefühle hatten entweichen können. Zurückgeblieben waren ein bitterer Geschmack und eine seltsame Leere, die aber nichts mehr von dieser eigenartig dumpfen Bedrohlichkeit an sich hatte, die sie gestern noch verspürte. Ihr Kopf dröhnte. Sarah sah auf, als sich die Tür öffnete und eine Krankenschwester das Zimmer betrat. Sie lächelte ihr zu und blieb vor dem Infusionsständer stehen, wo sie den Infusionsbeutel kontrollierte und anschließend eine große Spritze in einen rechteckigen computergesteuerten Kasten klemmte, der offensichtlich dafür sorgen sollte, dass das in der Spritze enthaltene Medikament in einem bestimmten Zeitraum über den Schlauch in den Zugang an ihrem Handgelenk gelangen würde. Die Schwester sah sie prüfend an.
»Haben Sie starke Schmerzen, Sarah?« Sarah schloss kurz die Augen, und die Schwester nickte. »Sie werden sehen, gleich wird es besser. Schlafen Sie jetzt ein wenig, okay?«
Obwohl in Sarahs Kopf noch viele Gedanken durcheinander wirbelten, siegte die Erschöpfung, und nach einer Weile fielen ihr die Augen zu, und sie schlief ein.
Auch in den darauf folgenden Tagen blieb Sarah stumm. Nach und nach wurde ihr die ganze Tragweite ihrer Handlung bewusst. Sie war froh darüber, dass man sie weitgehend in Ruhe ließ und zu akzeptieren schien, dass sie noch etwas Zeit brauchte. Olivers Bemerkung über ihre Familie hatte sie erschrocken erkennen lassen, dass ihre Eltern und ihre Brüder sicherlichschon in rasender Sorge um sie waren. Sie alle wussten, wie viel ihr Wolf bedeutete und wie wichtig er für sie war. Niemand hatte eine Ahnung, wohin genau sie verschwunden war. Sie hatte nur einen Zettel hinterlassen, dass sie in Ordnung sei, Abstand von Wolf brauche und sich bald melde. Sarah zögerte innerlich. Es war alles so kompliziert. Einerseits wollte sie nur in Ruhe gelassen werden, »um ihre Wunden zu lecken«, wie sie für sich selbst spöttisch feststellte, andererseits konnte sie den Gedanken, dass sich ihre Familie um sie sorgte, kaum ertragen. Doch was hätte sie ihnen sagen sollen? Hallo, ich bin es. Ich befinde mich zwar in Australien, aber sagt Großvater und Großmutter nichts davon, denn ich habe gerade versucht mich umzubringen. Und
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