Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
herbegleitet hat. Er strahlt so eine unbestimmte Fürsorglichkeit aus. Ich habe das Gefühl, dass er ihr gut tut. Was denkst du?«
»Nun, da sind deine Antennen meistens feiner. Aber ich mag den anderen nicht besonders. Ich hoffe, sie kommt noch zur Besinnung und heiratet ihn nicht.«
Heather biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte ein Lachen. Sie liebte ihren Mann auch dafür, dass er selten ein Blatt vor den Mund nahm. Die Gespräche mit ihm waren in all den Jahren nie einsilbig und langweiliggeworden. Gerade hier draußen war es wichtig, dass man sich diese Fähigkeit erhielt. Wenn man so weit von Freunden und Nachbarn entfernt lebte, würde man zugrunde gehen, wenn man niemanden hätte, mit dem man reden und dem man sich mitteilen könnte. Sie drückte seine Hand.
»Ich glaube, ihr ist schon klar geworden, dass er nicht der Richtige ist. Sie braucht nur noch ein wenig Zeit, um es sich endgültig einzugestehen.« Heather runzelte die Stirn. »Ich mache mir ein wenig Sorgen um sie. Sie sieht so blass und angespannt aus, und aus ihren Augen ist der blitzende Übermut verschwunden, der seit ihrer Kinderzeit zu ihr gehörte wie der Deckel auf den Topf.«
Shane nickte nachdenklich. »Dann werde ich einfach dafür sorgen, dass sie sich hier gut erholt.«
12
S arah zügelte ihr Pferd und hielt es dicht hinter dem ihres Großvaters. Sie war bereits früh am Morgen auf gewesen und hatte spontan zugestimmt, ihn bei einem Ausritt zu begleiten. Er hatte einige Pumpen und Weidezäune zu kontrollieren. Natürlich musste er das nicht wirklich tun. Es gab inzwischen genug Arbeiter auf Wintinarah, die diese Aufgabe ebenfalls erledigt hätten, aber offensichtlich liebte Shane es, immer noch selbst mitzuarbeiten. Sarah schmunzelte. Wahrscheinlich hatte ihn das Gefühl, gebraucht zu werden und noch wichtig zu sein, so jung gehalten. Sie hatte Oliver eine Nachricht hinterlegt und war mit klopfendem Herzen auf das Pferd gestiegen. Sie war lange nicht mehr geritten, und sie wusste, dass ihr Großvater insgeheim beobachtete, ob sie nicht ein echter Stadtmensch geworden war. Auch war sie sorgsam darauf bedacht, jegliche stärkere Belastung auf ihren gesunden rechten Arm zu verlagern, denn manche unvermittelte Bewegung oder Anspannung des anderen Arms führte noch immer zu starken Schmerzen. Doch schon nach kurzer Zeit war ihre Unsicherheit verflogen, und sie genoss den Ausritt. Sie lächelte. So waren ihre Teenagerjahre, in denen sie jede freie Minute in Beckers Reitstall verbracht hatte und in denen ihre Brüder sie abends immer wiehernd begrüßt hatten, doch noch zu etwas gut gewesen.
Shane war eine leichte Anhöhe hinaufgeritten und wartete auf sie. Er freute sich. Sie machte sich erstaunlich gut auf dem Pferd und hatte einen hervorragenden Sitz.
Sie hielt jetzt neben ihm und schob sich den alten Lederhut ihrer Großmutter aus der Stirn. Shanes Augen leuchteten, als er auf das vor ihnen liegende Land deutete. Die Sonne war gerade aufgegangen und ließ den Morgendunst, der über den Weiden gelegen hatte, wie einen zarten weißen Schleier aussehen, der sich langsam hob und den Blick auf tausende von grasenden oder leise blökenden Schafen freigab. Grüne Weiden schienen sich endlos aneinander zu schmiegen und gingen in der Ferne in eine blausilbern schimmernde Hügelkette über.
»Sieh nur, Sarah, das ist das Land deiner Mutter. Hier ist sie aufgewachsen.« Er hatte den Blick nicht von der Landschaft genommen und schien nachdenklich. Nichts in seinem Leben war ihm schwerer gefallen, als damals seine einzige Tochter ans andere Ende der Welt gehen zu lassen. Allein die Erinnerung daran machte ihn noch ernster. Nun war er hier mit seiner Enkelin. Wo waren nur all die Jahre geblieben? Er riss sich zusammen und lächelte ihr zu. Sie war seiner Julia so ähnlich, dass ihn diese Erkenntnis fast schmerzte – genauso wie ihn in letzter Zeit öfter der Gedanke gequält hatte, was einmal aus Wintinarah Station werden sollte.
»Es ist auch dein Land, Sarah. Eine Hälfte von dir stammt von hier.«
Sarah hatte ihre Augen über die Landschaft wandern lassen und fühlte sich zum ersten Mal seit vielen Wochen völlig unbeschwert. Sie meinte nie zuvor beim Anblick eines Ortes ein solches Gefühl der Freiheit gespürt zu haben. Sie nickte ihrem Großvater zu. »Ich habe mich seit langer Zeit nicht mehr so frei gefühlt.«
Sie machte eine Pause und betrachtete nachdenklich die Schafherde in der Ferne. »Weißt du, Großvater, auch wenn
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