Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
Erfahrung mit der Schlange im Outback fühlte er einen eiskalten Schauer über seinen Rücken laufen. Seine Tochter! Sie war ganz allein da draußen! Die unwillkürlich aufkommenden Schuldgefühle schienen ihn sekundenlang zu lähmen.
Sarah nahm seine Hand. »Oliver, wir finden sie.«
Unruhig glitten seine Augen über ihr Gesicht. Sie bemerkte, dass er Mühe hatte, dem organisatorischen Ablauf der Suchaktion zu folgen. Alles musste neu für ihn sein. Während sie bedingungsloses Vertrauen in ihre Großeltern und die Farmarbeiter setzte und sicher sein konnte, dass alles Notwendige wie selbstverständlich unternommen wurde, musste es Oliver – insbesondere nach den Erfahrungen, die er selbst in jüngster Zeit gemacht hatte – schwer fallen, Zuversicht zu zeigen. Außerdem ging es hier um sein Kind. Sie riss sich aus ihren Gedanken und drückte nochmals seine Hand. Ihre Blicke trafen sich, und sie nickte ihm unmerklich zu.
»Du bekommst sie zurück, bestimmt, Oliver. Sie kann noch gar nicht weit sein, glaub mir.«
Er war blass im Gesicht und sah abgespannt aus, als er sich schließlich unruhig umsah. »Ich will mitsuchen.« Dann bemerkte er, dass viele Pferde gesattelt wurden. Erkonnte nicht reiten. Hilflosigkeit und Ärger breiteten sich auf seinem Gesicht aus. »Verdammt, ich werde nicht hier herumsitzen und darauf warten, dass irgendwer meine Tochter findet.«
Sarah zog den Sattelgurt nach und wandte sich zu ihm um. »Das sollst du ja auch nicht.« Sie deutete auf einen Pick-up, der neben dem Stallgebäude geparkt war. »Am besten nimmst du den da und fährst die kleinen Weidewege zwischen den Koppeln zum Fluss hinunter ab. Vielleicht entdeckst du sie ja von dort aus, hm?«
Oliver musterte sie, doch seine angespannten Nerven ließen ihn nicht erkennen, ob der Vorschlag wirklich ernst gemeint war oder nur eine Beschäftigungstherapie für ihn darstellen sollte. Nachdem er stumm genickt hatte und zum Wagen gegangen war, beschloss er, dass alles besser war als einfach nur abzuwarten.
Als er wenig später in dem alten Auto den unbefestigten Weg entlangholperte, war er allein mit seinen Gedanken und Sorgen um sein Kind. Er war froh, dass ihn niemand sehen konnte, denn alle Gefühle spiegelten sich in seinem Gesicht wider, während seine Augen suchend über die nicht enden wollenden Weiden mit unzähligen Schafen wanderten. Er machte sich Vorwürfe, dass er womöglich zu viel von seiner Tochter erwartet hatte. Obwohl sein Innerstes ganz genau wusste, dass es nicht so war, ließen die Angst und die Sorge um Sammy ihn keinen klaren Gedanken fassen und bestraften ihn mit allen möglichen Schreckensvisionen. Die Vorstellung, dass ihr etwas geschehen sein mochte, ja, dass er sie vielleicht verlieren könnte, ließ ihn halb wahnsinnig werden.
Sarah folgte Barney Mandijarra, dem Vorarbeiter ihres Großvaters. Sie kamen nur langsam voran, denn Barney beugte sich immer wieder im Sattel vor oder stieg sogar ab, um Sammys Spur nicht aus den Augen zu verlieren. Sarah tröstete sich damit, exakt der Fährte des Mädchens zu folgen, was ihr immerhin vernünftiger erschien, als ziellos in der Gegend herumzureiten. Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel, und die Fliegen umsurrten sie mit hartnäckiger Ausdauer. Das helle Farmerhemd klebte ihr bereits am Rücken, und sie spielte mit dem Gedanken, es auszuziehen und nur im Top weiterzureiten. Aber die Vorstellung, dass zahllose Fliegenschwärme auf ihrer ungeschützten Haut herumkrabbelten, hielt sie davon ab. Sie pustete sich eine Locke aus der Stirn und schob den Hut in den Nacken, während sie zusah, wie der Vorarbeiter wieder in den Sattel stieg und auf einen fast unsichtbaren Pfad deutete, der vom ausgetretenen Weg abzweigte. »Da entlang, Sarah!«
Sie nickte und trieb ihr Pferd an, um ihm zu folgen.
Sammy war beklommen zumute gewesen, als der Pfad immer unübersichtlicher wurde. Ein Blick über die Schulter zurück verriet ihr mit Bestimmtheit, dass sie die Orientierung verloren hatte. Dichte Farne überwucherten immer mehr den Weg, und das Pferd war unruhig geworden, denn ab und an raschelte es hinter einzelnen Steinen und Felsen und eine Maus oder eine Eidechse huschte an ihnen vorüber. Nervös warf die Stute den Kopf zurück und tänzelte auf der Stelle. Sammy hielt erschrocken die Zügel fester und versuchte dasPferd zu beruhigen, indem sie sanft auf die Stute einsprach. »Ruhig, Estella. Ganz ruhig.«
Die Ohren des Pferdes bewegten sich aufmerksam vor und
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