Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
hochschieben konnte, und führte das Pferd einfach in das Flussbett. Beide schienendas kühle Wasser zu genießen, das Sammy bis zur Wade reichte. Sie wartete, bis die Stute genug Wasser getrunken hatte, und führte sie dann ans Ufer zurück. Sie suchte in der Satteltasche nach einem Seil, hakte den Karabiner, der sich an der einen Seite befand, in eine Schlaufe am Halfter, während sie das andere Ende des Seils um einen dünnen Baum schlang. Dann befreite sie das Tier von der Trense und klopfte ihm wieder den Hals. »So, Estella, jetzt kannst du in Ruhe etwas fressen. Wir machen beide eine Pause, hm?«
Als hätte die Stute sie verstanden, schnaubte sie leise und senkte den Kopf, um vom saftigen Gras an der Böschung einige Büschel abzureißen. Sammy sah ihr kurz zu und nickte zufrieden. Sie nahm die mit Leder bezogene Wasserflasche, die an einer Satteltasche befestigt war, und watete damit erneut ins Wasser. Nachdem sie sie gefüllt hatte, trank sie daraus und brachte sie ans Ufer zurück. Dort zog sie sich aus und planschte im munter plätschernden Fluss. Erfrischt rubbelte sie sich mit ihrem Sweatshirt trocken und kleidete sich wieder an. Sie war hungrig geworden und kramte in den Satteltaschen, bis sie die Dinge fand, die sie morgens aus der Küchenvorratskammer mitgenommen hatte, bevor sie zum Stall gegangen war. Mit einem Stück Brot, einer Tüte voller Kekse und einem Apfel setzte sie sich in den Schatten und begann zu essen. Eifrig kauend beobachtete sie die Stute und bedauerte zutiefst, dass sie ihr hier nicht für eine Weile den Sattel abnehmen konnte. Im Stall war sie zum Satteln auf die Holztür in der halb hohen Seitenwand geklettert, aber hier gab es nicht einmal einen Baumstumpf, auf den sie sich hätte stellen können, um den Sattel auf den Pferderücken zu bekommen. Als ihr Hunger gestillt war, saß sie gegen einen Baum gelehnt da und blinzelte träge auf das glitzernde Wasser, das unaufhörlich an ihr vorüberströmte und sich rauschend einen Weg an einzelnen Felsen und Steinen vorbei suchte. Müde schloss Sammy die Augen und nickte ein.
Unwillig verscheuchte Sarah einige Fliegen, die mit aller Macht beschlossen hatten, ihr in die Nase und die Ohren zu krabbeln. Barney Mandijarra war wohl zum zwanzigsten Mal in den letzten Stunden abgestiegen und untersuchte wieder den Boden vor seinem Pferd. Sarah saß ebenfalls ab und klopfte ihrem Pferd den Hals. Sie seufzte. Dafür, dass der Frühsommer gerade erst begonnen hatte, war die Hitze heute schier unerträglich. Besorgt legte sie eine Hand schützend vor die Augen und sah zwischen den Bäumen hindurch in die Ferne. Der Himmel verdunkelte sich über den Hügeln am Horizont, und schwüle Gewitterluft mit angriffslustigen Fliegenschwärmen kündigte ein Unwetter an. Sie wandte den Blick ab und beobachtete wieder den Mann. »Und, Barney? Kannst du feststellen, in welche Richtung sie geritten ist?«
Der schwarze Lockenkopf legte sich bedächtig von einer Seite auf die andere. Dunkle Augen sahen vom Boden zu Sarah auf. »Sie ist schon seit einer ganzen Weile nicht mehr geritten.«
Sarah schaute ihn verblüfft an. »Wieso das nicht? Ist etwas mit dem Pferd?« Sie sah plötzlich alarmiert aus.
»Oder ist sie abgeworfen worden?«
Barney schüttelte den Kopf. »Nein. So weit ich das erkennen konnte, ist sie nicht gefallen. Sie ist einfach abgestiegen und hat das Pferd geführt.«
»Aber warum? Sie wäre auf Estella doch viel schneller.« In Barneys unergründlichen Augen versteckte sich ein Lächeln. »Vielleicht hat sie es einfach nicht eilig. Immerhin scheint es ihr gut zu gehen. Die Spuren sind gleichmäßig.«
Sarah blieb mit ihrem Pferd direkt neben ihm stehen und schaute auf den Boden. »Es ist mir ein Rätsel, was du dort alles erkennen kannst.« Sie sah wieder in sein lächelndes Gesicht. »Aber ich bewundere dich maßlos dafür. Ich wünschte, ich könnte so etwas auch. Neben dir komme ich mir hier so nutzlos vor.«
»Man braucht dafür nur Geduld und den Blick für die Natur. Wenn du willst, kann ich dir später einiges zeigen.« Sie nickte, während er sein Pferd weiterzog. »Aber jetzt müssen wir erst einmal die Kleine finden.« Er deutete nun ebenfalls in die Ferne. »Dahinten kommt nämlich ein Gewitter auf uns zu.«
23
E rschrocken fuhr Sammy aus dem Schlaf hoch, als ihr der Regen bereits ins Gesicht klatschte. Verwirrt sah sie sich um und wusste einen Augenblick lang nicht, was sie hier machte. Dann entdeckte sie Estella, die unruhig
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