Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
und fühlte die Morgensonne warm auf ihrem Gesicht. Es war alles in Ordnung. Sie wollte nur eine Weile allein sein. Vielleicht auch ein wenig länger, dachte sie trotzig. Zunehmend gefiel ihr die Vorstellung, dass ihr Vater sie voller Sorge suchen würde. Vielleicht würde er sogar einsehen, dass alles seine Schuld war. Seine – und Sarahs.
Wohlig streckte sich Sarah unter der Bettdecke und genoss Olivers warme Nähe. Es war noch sehr früh am Morgen, und sie bedauerte, dass es für ihn an der Zeit war, ihr Zimmer zu verlassen, damit Samanthas Welt in Ordnung blieb. Vorsichtig drehte sie sich auf die Seite und pustete leicht in sein Ohr, bevor sie flüsterte: »He, du Langschläfer. Es wird Zeit für dich, diesen gastlichen Ort zu verlassen.«
Ohne die Augen zu öffnen, gähnte er und murmelte: »Schon?«
Sarah hatte sich halb aufgerichtet, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Als sie sich wieder umwandte, entdeckte sie die weit offen stehende Zimmertür. Erschrocken stieß sie Oliver in die Seite. »Wieso steht die Tür offen? Hast du die gestern Nacht nicht zugemacht?« Er setzte sich abrupt auf. Plötzlich schien er hellwach. »Selbstverständlich habe ich sie geschlossen. Wieso sollte ich mich wohl immer so hier anschleichen, wenn ich dann einfach die Tür offen ließe, hm?« Stirnrunzelnd war er aus dem Bett gesprungen, um sie zu schließen. Neben dem Türrahmen bückte er sich und hob einen Zettel auf. In ihrer noch nicht flüssigen Handschrift teilte ihm Sammy darauf mit, dass sie ihr Pferd striegeln wollte. »Verdammt!« Er hielt das Papier hoch. »Der hier ist von Sammy! Sie war heute früh hier.« Hektisch zog er seine Hosen an und ließ sich dann ratlos auf die Bettkante sinken. »Was soll ich ihr denn bloß sagen? Sie ist so schon noch immer kompliziert, wenn es um dich geht. Ich war richtig froh, dass sich das mit deinem Reitunterricht für sie so gut angelassen hatte.«
Sarah sah besorgt aus. Sie strich Oliver über die Schulter. »Ach, vielleicht sieht sie das Ganze schon nicht mehr so eng. Was meinst du?«
»Da kennst du meine Tochter aber schlecht. Ich wette, sie ist zu Tode beleidigt.« Er griff nach seinem T-Shirt und zog es über den Kopf. »Immerhin kann sie hier nicht so schnell zu ihren Großeltern flüchten; das tut sie zu Hause nämlich, wenn’s brenzlig wird.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie flüchtig. »Wir sehen uns draußen.«
Sarah blieb noch einen Moment unschlüssig im Bett sitzen und lehnte den Kopf gegen die Wand. Sie seufzte. Warum musste das Leben so kompliziert sein? Sie hatten doch nichts Verbotenes getan. Wieso musste Sammyes ihnen beiden denn so schwer machen? Resigniert suchte sie ihre Sachen zusammen und machte sich hastig fertig. Sie kam gerade aus dem Bad, als sie eilige Schritte auf der Treppe hörte. Oliver blieb atemlos vor ihr stehen. Er war in heller Aufregung. »Sie ist weg!« Sarah spürte so etwas wie Ungeduld in sich aufsteigen. Dieses ewige Theater mit Sammy begann ihr auf die Nerven zu gehen. »Wieso weg? Sie wird hier irgendwo auf der Farm sein. Wie kommst du denn darauf, dass sie ...«
Oliver unterbrach sie ungeduldig. »Verdammt, sie ist weg! Und das Pferd, auf dem sie immer reitet, ebenfalls!«
Sarahs Mund öffnete sich ungläubig, aber sie schwieg sekundenlang in sprachlosem Erstaunen. Das konnte doch nicht wahr sein. Oliver trat von einem Bein auf das andere. »Was machen wir denn jetzt? Wir müssen sie doch suchen.«
Sarah hatte sich rasch gefangen und nickte, während sie vorausging. »Natürlich suchen wir sie. Zuerst geben wir Heather und Shane Bescheid. Bestimmt suchen sie mit, und sicher auch einige der Arbeiter. Komm!«
Dem ersten Schrecken über das Verschwinden des kleinen Mädchens folgte rasch eine routinierte Betriebsamkeit. Es wurden verschiedene Arbeiter in kleine Suchtrupps eingeteilt, zu denen auch Sarah und Shane gehörten, die ebenfalls zu Pferd suchen wollten. Sie versprachen sich einfach mehr davon. Schließlich würden sie versuchen Sammys Spuren zu folgen. Während Wasserflaschen gefüllt wurden, hatten sich zwei Aborigines, die sich noch aufs Fährtenlesen verstanden, um dasStallgebäude herum umgesehen. Schon nach kurzer Zeit kamen sie zurück. »Sie ist zum Fluss hinuntergeritten.«
Oliver sah mit bangen Blicken von den Männern zu Shane und den anderen. Er hatte keine Ahnung, ob das eine eher gute oder eher schlechte Nachricht war. Im Grunde neigte er nicht zu übertriebener Sorge, aber nach seiner eigenen
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