Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
wahrnahm, schüttelte er nur den Kopf. Heather war ebenfalls herbeigeeilt und sah besorgt aus. »Sarah, ich bin ja so froh, dass ihr wieder da seid.«
Sarah zog die Stiefel aus und betrachtete mit hängenden Schultern den kleinen See, der sich um sie herum bildete. Shane legte einen Arm um sie und schob sie zurTreppe. »Sieh erst mal zu, dass du aus den nassen Sachen kommst. Dann gibt es etwas zu essen.«
Sarah schüttelte müde den Kopf. »Ich hab keinen Hunger.« Sie schaute von ihrer Großmutter zu ihrem Großvater. »Wie trägt es Oliver?«
Shane zuckte vage mit den Schultern. »Er ist noch unterwegs. Wir hatten große Mühe, ihn zum Zurückkommen zu bewegen.« Als er Sarahs besorgten Gesichtsausdruck wahrnahm, fügte er rasch hinzu: »Er müsste aber in der nächsten halben Stunde hier eintreffen. Mach dir also keine Sorgen.«
Sarah nickte noch einmal und ging die Treppe hinauf. Im Bad ließ sie heißes Wasser in die Wanne laufen, gab etwas Badeöl hinzu und kämpfte sich dann aus ihren nassen Kleidern. Sie legte sich ihren Bademantel zurecht und stieg in das warme, duftende Wasser. Als sie sich zurücklehnte und die Augen schloss, spürte sie, wie die Wärme sie einhüllte und ihr half, sich langsam zu entspannen. Morgen, gleich morgen früh würde sie weitersuchen.
Sammy wusste nicht, wie lange sie unter dem Felsvorsprung gehockt hatte. Der Wind hatte nachgelassen, und das Gewitter war weitergezogen. Nur ein leiser Regen fiel noch und plätscherte an den Felswänden hinunter. Sammy fühlte sich unbehaglich in ihren nassen Sachen, doch die Vorstellung, ohne Kleidung in der Nachtkühle zu sitzen, war noch unangenehmer. Ihr Blick fiel auf Estella, und sie stellte zufrieden fest, dass die Stute sich völlig beruhigt hatte. Sie stand mit müde hängendem Kopf still da und döste. Sammy hätte sich gerne an ihrgewärmt, doch sie hatte keine Ahnung, wie man ein Pferd dazu bringen konnte, sich hinzulegen. Sie stand auf und streckte sich vorsichtig. Dann löste sie die Sattelgurte und schob den Sattel vom Pferderücken. Sie streichelte Estella und teilte ein paar Kekse mit ihr, die in der Tüte einigermaßen trocken geblieben waren. Das Seil band sie an den schweren Sattel, den sie nur mit Mühe unter den Felsvorsprung schleppen konnte, um sich dann darauf zu setzen. Er war zwar nass, aber nass war eigentlich alles um sie herum. Bei dem Gedanken an ihren Vater und ihr Zuhause traten ihr Tränen in die Augen. Längst war ihr Trotz verflogen, und sie sehnte sich danach, dass alles wieder in Ordnung käme. Sie fror und wischte sich zähneklappernd die Tränen weg, die jetzt über ihr Gesicht liefen.
Oliver kämpfte sich vorwärts. Immer wieder versanken seine Knöchel im Schlamm des aufgeweichten Weges. Er wusste nicht mehr, wie oft er das Gleichgewicht verloren hatte und gestürzt war. Er hatte aufgehört sich den Regen aus dem Gesicht zu wischen. Mit zusammengebissenen Zähnen legte er Schritt für Schritt zurück. Etwa zwei Kilometer vor dem Farmhaus rutschte er erneut auf dem glitschigen Untergrund aus und fiel der Länge nach hin. Er hob kurz den Kopf an und legte ihn dann auf seinen Unterarm. Der Sturm hatte nachgelassen, doch Oliver fühlte nur noch Kälte und Nässe – und ohnmächtigen Zorn. Zorn auf alles, was in seinem Leben schief lief, Zorn auf sich selbst, weil er offenbar nicht in der Lage war, sein Leben in den Griff zu bekommen. Sekundenlang blieb er liegen und wünschte sich, von den endlos in seinem Kopf kreisenden Gedanken befreit zu werden. Seit Stunden quälten sie ihn, ohne auch nur den Ansatz einer Lösung zu offenbaren. Er zog plötzlich einen seltsamen Trost daraus, hier womöglich genauso allein draußen zu sein wie seine kleine Tochter. Doch wieder siegte sein Verantwortungsgefühl.
»Sammy«, flüsterte er, »Sammy, wo bist du nur?«
Dann rappelte er sich hoch und machte sich wieder auf den Weg.
Sammy war müde geworden, doch die nasse Kühle der Nacht ließ sie nicht einschlafen. Ihre Hände waren klamm, und ihre Füße kribbelten. Als der Regen aufgehört hatte, kam der Mond zum Vorschein, und sie beschloss, sich in seinem Licht noch einmal umzusehen. Die Bewegung würde sie vielleicht auch ein wenig aufwärmen. Vorsichtig stand sie auf und ging an Estella vorbei auf die niedrigeren Felsen zu. Wenn sie von dort auf die höheren klettern würde, könnte sie vielleicht eher erkennen, wo sie hier gelandet war und ob sie den Weg über den Fluss zurück noch einmal schaffte. Sie achtete
Weitere Kostenlose Bücher