Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
fröstelte bei dem Gedanken daran, dass sie der Auslöser fürSammys Flucht gewesen sein mochte. Der Regen rann ihr den Rücken hinunter. Sarah blinzelte neue Regentropfen weg und hob den Blick. Ein böiger Wind peitschte Wolken vor sich her, deren Inhalt sich über die Erde ergoss. Blitze zeichneten unwirkliche, futuristische Linien an den Himmel, die so gar nicht in das sonst so friedliche weite Outback zu passen schienen, und plötzlich hatte Sarah eine Vorstellung davon, wie sich Sammy jetzt fühlen musste.
Oliver hatte alle Funkwarnungen in den Wind geschlagen und war weitergefahren. Es ging hier schließlich um seine Tochter, die da draußen herumirrte. Als die Scheibenwischer im Höchsttempo quietschend über die Windschutzscheibe glitten, hatte sich Heather nochmals über Funk bei ihm gemeldet. »Oliver, bitte. Der Sturm nimmt zu. Kehren Sie um. So sind Sie Ihrer Tochter garantiert keine Hilfe.«
Oliver schwieg. Er wollte nicht reden. Mit niemandem. Es knackte wieder in der Leitung, als sich Heather erneut meldete. »Oliver! Was sollen wir denn Ihrer Tochter sagen, falls sie gefunden wird? Dass ihr Vater verschwunden ist? Ich verspreche Ihnen, dass wir gleich morgen früh bei Tagesanbruch die Suche fortsetzen werden.« Oliver starrte in das trübe Grau vor sich. Der Wagen schien in den Wassermassen zu schwimmen. Selbst wenn Sammy in fünfzehn Metern Entfernung vorbeiritte, würde er sie vermutlich nicht sehen können. Er hielt an und betrachtete mit gesenktem Kopf das Funkgerät. Resigniert drückte er schließlich die Sprechtaste.
»Gut, ich komme zurück.«
»Gott sei Dank, Oliver! Fahren Sie vorsichtig.«
Er meldete sich ab, und legte auf. Er startete den Wagen und gab vorsichtig Gas. Trotzdem geriet das Auto auf dem aufgeweichten Weg ins Schlingern. Oliver musste sich auf das Fahren und den Feldweg vor sich konzentrieren. Die Dämmerung, Sturm und Regen ließen plötzlich alles gleich aussehen. Er war Stunde um Stunde die kleinen unscheinbaren Koppelwege abgefahren, die sich nur geringfügig unterschieden. Jetzt hatte er Mühe, den Heimweg zu finden. Er war froh, als er nach einer Stunde auf einen besseren Weg kam. Erleichtert nahm er die Hinweistafel WINTINARAH STATION zur Kenntnis und bog einige Minuten später erneut in einen Koppelpfad ein, der zum Farmhaus führte. Der Sturm hatte noch nicht nachgelassen und peitschte hohe Gräser und Büsche im Wind. Unwillkürlich zuckte Oliver zusammen und trat reflexartig auf die Bremse, als ein großer knorriger Busch krachend auf seiner Windschutzscheibe landete. Das Sicherheitsglas platzte und bildete ein Muster, das jedoch die Scheibe noch zusammenhielt. Sekundenlang beobachtete Oliver die Frontscheibe, die sich knarrend leicht bewegte, und beugte sich vor, um zu prüfen, wie viel er noch an dem Muster vorbei vom Weg vor sich erkennen konnte. Dann öffnete er die Tür und stieg aus. Seine Turnschuhe versanken sofort schmatzend im Schlamm, und fluchend hangelte er sich um die Tür herum zur Motorhaube, um den Busch beiseite zu zerren. Regen klatschte ihm ins Gesicht, und der Wind fegte schneidend durch sein dünnes T-Shirt. Als der Weg frei war, ließ er sich wieder hinter das Steuer sinken und startete den Motor. Beim Anfahren drehten jaulend und quietschend die Reifen durch. Er kurbelte das Seitenfenster hinunter und beugte sich nach draußen. Schlamm spritzte auf. Der Wagen saß fest. »Verdammt!« Er schlug auf das Lenkrad. Alles, aber auch wirklich alles musste schief gehen. Angespannt starrte er nach draußen. Die Dämmerung wurde inzwischen von der Dunkelheit abgelöst. Wo mochte Sammy jetzt sein? Er spürte, dass sie nicht auf der Farm in Sicherheit war. Bei der Vorstellung, dass sie womöglich verletzt allein irgendwo im Sturm und Regen hockte, schloss er die Augen und legte einen Moment lang den Kopf auf die Hände, die noch auf dem Lenkrad waren. Wenig später riss er sich zusammen, fuhr sich über die Augen und überlegte kurz. Er schätzte den Weg zur Farm auf etwa fünf Kilometer. Nun, dann müsste er es eben zu Fuß schaffen. Entschlossen stieg er aus und stemmte sich gegen den Wind.
Völlig durchnässt trafen Sarah und Barney auf der Farm ein. Zwei Arbeiter kamen ihnen im Stall entgegen und nahmen ihnen die Pferde ab. Barney nickte ihr zu und machte sich auf den Weg zu seiner Unterkunft. Sarah stieg unsicher die Stufen zur Veranda hinauf. Sie merkte erst jetzt, wie erschöpft sie war. Als Shane die Tür öffnete und ihren fragenden Blick
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