Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
vergessen und hatte mit den sintflutartigen Wassermassen, die auf die Erde niedergegangen waren, blitzschnell ein leuchtendes, saftiges Grün auf die Weiden gezaubert. Das warme rote Licht des Abendhimmels kündigte gerade den Sonnenuntergang an. Oliver wusste plötzlich, wie sehr ihm das alles fehlen würde. Als er sich der Koppel näherte, sprangen zwei Fohlen übermütig in wilden Bocksprüngen davon. Er sah ihnen nach und legte die Unterarme auf den Koppelzaun. »Ich habe immer irgendwie Angst, dass ihnen diese langen, dünnen Beine abbrechen, wenn sie so davonspringen.« Sarah lachte. »Das kommt dir nur so vor. Du müsstest einmal sehen, wie rasch sie sicherer und kräftiger werden. Das geht ja so schnell.« Sie sah fast ein wenig wehmütig aus.
Oliver räusperte sich sichtlich verlegen. »Sarah?«
Sie drehte sich um und schaute ihn an. Enttäuschung lag auf ihrem Gesicht, denn sie spürte, was er ihr sagen wollte.
Oliver konnte ihren Blick nicht ertragen und sah in die Ferne. »Ich werde morgen früh mit Sammy nach Warren Creek zurückfahren.« Als sie nur stumm nickte, fügte er lahm hinzu: »Wir müssen nach Hause zurück, weißt du?«
»So schnell schon? Ihr könntet noch ein paar Tage bleiben; Sammy hat doch Ferien.« Sie merkte, wie hilflos sie klang, und hasste sich dafür. Also schwieg sie lieber wieder. Sie konnte seine vertraute Nähe in Verbindung mit dieser ungewohnten Distanz, die er ihr gegenüber wahrte, seit Sammy fortgelaufen war, nicht mehr ertragen und drehte ihm den Rücken zu, um sich einem Fohlen zuzuwenden, das sie gestupst hatte. Sie strich demTier immer wieder mechanisch über das weiche Fell und merkte, wie ihr langsam die Tränen in die Augen stiegen. Instinktiv fühlte sie, dass dies kein normaler Abschied für ein paar Tage war. Minuten schienen zu verstreichen. Keiner sagte ein Wort. Schließlich trat Oliver hinter sie und legte seine Hände auf ihre Schultern. Langsam drehte sie sich um und fuhr sich mit einer Hand über die Augen. Als Oliver sie an sich zog, war er genauso verzweifelt wie sie. »Ich will nicht gehen, Sarah. Glaub mir doch. Aber ich kann nicht zulassen, dass so etwas noch mal geschieht. Ich bin für Sammy verantwortlich. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ihr etwas zustieße.« Sarah hatte ihren Kopf an seine Brust gelegt und sagte nichts. Sie mochte sich nicht vorstellen, ihn zu verlieren. Zu sehr gehörte er bereits zu ihrem Leben. Ihre eigenen Worte kamen ihr in den Sinn: »Nie wieder will ich jemanden so bedingungslos lieben ...« Das hatte sie sich nach ihrer Enttäuschung mit Wolf geschworen, und doch war es jetzt so, dass sie erneut das Gefühl hatte, auseinander zu brechen. Sicher, sie liebte ihr Leben auf Wintinarah, aber trotzdem hatte sie jede Minute der Woche in der Vorfreude auf die Stunden mit Oliver gelebt. Bei jeder Aufgabe und Beschäftigung war ihr Innerstes erfüllt gewesen von dem Gedanken an ihn und seinen Besuch. Sie hatte zugelassen, dass er es war, der ihrem Leben einen Sinn gab. Jetzt musste sie sehen, wie sie damit klarkam. Sie löste sich von ihm, drehte sich zu den Pferden um und wischte sich mit den Handrücken einigermaßen entschlossen über die Wangen.
Oliver empfand einen fast körperlichen Schmerz, als er sie so gleichermaßen verloren wie trotzig dort stehensah. Auch er fühlte sich von einem Leben betrogen, das ihm eine Entscheidung zwischen seiner Tochter und der Frau, die er liebte, abverlangte. Erneut war er Sarah gefolgt und legte seine Arme um sie. »Mir geht es genauso wie dir.« Als sie nichts erwiderte, fügte er hinzu: »Bitte, Sarah, sei nicht so enttäuscht.«
Sie schüttelte seine Arme ab und hob den Kopf. Ihre Stimme klang plötzlich scharf. »Nein, ich bin ganz fröhlich. Warum sollte ich auch traurig sein, hm? Ich bin doch selbst schuld.«
Oliver schüttelte den Kopf. »Sarah! Was soll das denn? Ich ... ich bitte dich doch nur um Zeit. Wenn Sammy dein Kind wäre ...«
Er brach ab, als sie ihn anfunkelte. »Sie ist aber nicht mein Kind. Und das lässt sie mich tagaus, tagein spüren. Ich habe wahrhaftig alles an Zeit und Geduld aufgebracht, was möglich war, Oliver. Hier und in Warren Creek. Ich ... ich kann einfach nicht mehr. Ich habe es satt, das fünfte Rad am Wagen zu sein, die böse Frau, die euer schönes Dasein durcheinander bringt. Du hast mich so deutlich aus deinem Leben und aus deinen Gefühlen ausgeschlossen, als Sammy weggelaufen war, dass mir ziemlich rasch klar geworden ist, wo ich
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