Der Duft des Jacaranda-Baums (German Edition)
Bleib, wo du bist! Wir reiten über eine Brücke in der Nähe und holen dich, ja?« Sie sah, dass die Kleine nickte. Trotzdem fügte sie eindringlich hinzu: »Du wartest auf uns!«
Wieder nickte sie heftig und rief: »Ja, bestimmt! Ich hab Hunger!«
Sarah lachte erleichtert, als sie Barney erreichte. »Sie wartet auf uns – und sie hat Hunger.«
Er grinste breit. »Na, dann scheint sie ja okay zu sein.« Während sie weiterritten, zog sie ihr Funkgerät aus der Satteltasche und rief die Farm. »Großmutter? Ich bin’s, Sarah.« Sie klang aufgekratzt. »Barney und ich haben Sammy gefunden. Es geht ihr gut. Sie ist auf der anderen Flussseite. Wir reiten jetzt zur alten Holzbrücke bei Samson’s Creek und holen sie ab.«
Heather war unendlich erleichtert. »Gott sei Dank, Sarah! Ist sie bestimmt in Ordnung?«
Sarah konnte sie beruhigen. »Sie hüpfte wie ein kleiner Gummiball auf und ab, um sich bemerkbar zu machen. Außerdem hat sie mich wissen lassen, dass sie hungrig ist.«
Heather freute sich. »Das ist eine richtig gute Nachricht. Ich sage sofort Oliver Bescheid.«
Eine halbe Stunde später erreichten die beiden Sammys Lagerplatz. Sie schien ein wenig verlegen. Offensichtlich erwartete sie eine Gardinenpredigt. Umso größer war ihre Erleichterung, als Sarah absaß und sie ohne viele Worte kurz an sich drückte. Barney kam mit einer Thermosflasche Tee und einem Proviantpäckchen herbei. Er grinste über das ganze Gesicht. »Hat hier vielleicht jemand Hunger?«
24
O livers Gefühle ließen sich kaum in Worte fassen. Er lief den Reitern entgegen und zog Samantha in seine Arme. Barney beugte sich im Sattel vor und übernahm Estellas hängende Zügel. Sarahs Großeltern waren inzwischen auch bei ihnen angekommen. Es folgten Farmarbeiter, die sich ebenfalls an der Suche beteiligt hatten. Oliver bemerkte nichts mehr um sich herum. »Sammy!« Er drückte seine Tochter an sich, während die Tränen über sein Gesicht liefen, und hielt sie ganz fest. Gefühle der Angst und Verzweiflung, denen er ausgesetzt gewesen war, bedrückten ihn auch jetzt noch. Konnte je wieder alles so werden wie zuvor?
Sammy stützte sich auf seiner Schulter ab und wischte sich über die Augen. Sie war tief betrübt über die Tränen ihres Vaters. »Dad, es tut mir so Leid.«
Er schüttelte den Kopf und drückte sie wieder an sich. »Schon gut, Sammy.« Oliver mied die Blicke aller Anwesenden und wandte sich wortlos mit seiner Tochter auf dem Arm um, um sie ins Haus zu tragen. Sarah sah ihm traurig nach. Er hatte ihr nicht einen Blick geschenkt. Heather klopfte mit der flachen Hand auf Sarahs Reitstiefel. »Die beiden brauchen jetzt erst mal Zeit und Ruhe.«
Shane nickte Barney anerkennend zu. »Das habt unwirklich gut gemacht.«
Als könnte er es nicht glauben, dass seine Tochter wieder bei ihm war, saß Oliver noch eine ganze Weile anihrem Bett und betrachtete das entspannt schlafende Kind. Er war glücklich, dass ihr nichts zugestoßen war. Doch der Schock wegen ihres Verschwindens und die verzweifelte Sorge während der Suche nach ihr hatten ihn derartig aus der Bahn geworfen, dass er nicht in der Lage war, sofort in die Normalität zurückzukehren. Seine Gefühle für Sarah waren in den Hintergrund getreten, und unbewusst hatte er sich von ihr distanziert. Er stand auf und ging leise ans Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Aber er ließ seine bereits ausgestreckte Hand wieder sinken, als er nach draußen schaute und Sarah entdeckte. Sie war über den Zaun in die Pferdekoppel gestiegen und stand nun zwischen den Stuten und ihren Fohlen, eifrig darum bemüht, ihre Streicheleinheiten gerecht unter den Pferden zu verteilen, die neugierig herangekommen waren. Selbst auf die große Entfernung konnte Oliver ihr Lächeln erkennen. Er verharrte unwillkürlich einen Moment und war in dieses Bild aus Natürlichkeit und Anmut versunken. Er spürte einen dumpfen Schmerz in sich, als er erkannte, dass er keine Kraft mehr aufbringen konnte, um sie zu kämpfen, ja, dass er in seinem Inneren bereits Abschied nahm. Niedergeschlagen zog er nun doch die Vorhänge zu, warf noch einen Blick auf die friedlich schlafende Sammy und ging leise nach unten. Als er die Veranda erreicht hatte, blieb er einen Augenblick stehen. Bewusst nahm er das abendliche Vogelgezwitscher und das laute Zirpen der Zikaden wahr. Neben der Veranda stand ein Jarcaranda-Baum, dessen violette Blüten einen zarten Duft verströmten. Das schreckliche Unwetter schien längst
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