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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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noch nicht zur Tür hinausgewagt. Zu peinlich war die Vorstellung, zufällig einem Freier über den Weg zu laufen und für eine Dirne gehalten zu werden. Der Raum war knapp, und da sie sich glücklich schätzen konnten, überhaupt ein Zimmer bekommen zu haben, hatte Daphne Oscar und Camille zusammen einquartiert. Lucius hatte man einen Teil des Bodens Oscar gegenüber angeboten, aber er hatte abgelehnt, sich die Lippen geleckt und die Hände gerieben, bevor er sich mit einem von Daphnes kurvenreichen Mädchen zusammengetan hatte. Camille hatte gehofft, dass sie hier würde besser schlafen können als an Bord der Londoner, aber Oscar auf dem Boden vorm Fenster, seine leichten, rhythmischen Atemzüge würden ihr das Schlafen sicher erneut schwer machen.
    Oscar legte den Kopf schräg und verschränkte die Arme vor der Brust. Camille war im Laufe der letzten anstrengenden Woche hager geworden, aber Oscar hatte bei seiner Arbeit an Bord der Londoner seine Muskelkraft erhalten und für das wenige Essen gearbeitet, das sie bekommen hatten. Seine Unterarme wölbten sich direkt unterm Ellbogen und sein Bizeps spannte die Ärmel seines karierten Flanellhemdes. Sie hatte einige Jahre zuvor begonnen, seinen schönen Körperbau wahrzunehmen, als seine schlaksige Gestalt aufgrund von Juanitas Küche und den täglichen Pflichten an Bord eines Schiffs nach und nach kräftiger wurde. Aber erst jetzt, da niemand da war, der beobachtete, wie sie ihn ansah, gestattete sie sich, die Form seiner Arme zu bewundern und sich vorzustellen, wie sie sich anfühlen würden, wenn er sie um sie legte. Sie verspürte ein Kribbeln im Magen angesichts des Bildes, und sie zwang sich, den Blick von ihm abzuwenden.
    »Ich habe Daphne bereits gesagt, dass wir nicht lange bei ihr wohnen würden«, erklärte Camille, stolz darauf, dass ihre Stimme so ruhig klang.
    »Und was hast du gesagt, wo wir hingehen würden?«, fragte Oscar.
    Camille faltete die Hände vor dem Bauch. »Oscar, meine Mutter ist hier, in Australien.«
    Er ging auf einem schmuddeligen Läufer vor dem Bett auf und ab und griff sich in den Nacken. »Das spielt keine Rolle, sie ist Hunderte von Meilen entfernt.«
    »Wie kannst du sagen, dass es keine Rolle spielt. Es spielt jetzt mehr denn je eine Rolle. Meine Mutter war mein Leben lang tot für mich. Jetzt ist sie diejenige, die lebt, und mein Vater …« Camille holte Luft und kämpfte gegen den Kloß in ihrem Hals an. Es fühlte sich immer noch nicht real an. Sie konnte es nicht aussprechen oder auch nur denken, ohne dass ihr Puls wie verrückt zu rasen begann.
    »So habe ich das nicht gemeint«, seufzte Oscar. »Aber Port Adelaide ist zu weit entfernt und wir beide haben nicht einen Cent.«
    Camille nahm jetzt den beißenden Geruch von Rübenbrei in der Schale auf der Ankleidekommode wahr. Das Essen dampfte, aber das trug wenig dazu bei, ihr Appetit zu machen. Dunkle Ringe färbten die Haut unter Oscars Augen, und sie vermutete, dass auch er an Bord der Londoner nicht viel hatte schlafen können. Er ging rückwärts zum Bett und ließ sich auf die Matratze sinken.
    »Ich war übrigens nicht seiner Meinung. Ich fand, dass er dich den Brief hätte lesen lassen sollen«, sagte er.
    Sie zog eine Augenbraue hoch, überrascht, dass er auf ihrer Seite gewesen war. Aber andererseits hatte er auch gegen die Bitte ihres Vaters verstoßen, keinen Umgang mehr mit ihr zu pflegen. Sie war zornig auf ihren Vater gewesen. Aber jetzt, da er tot war, war es unmöglich, wütend auf ihn zu sein. Camille trat eine Beule im Teppich nieder.
    »Ich wünschte, ich hätte den ganzen Brief lesen können.«
    Oscar fuhr sich mit den Fingern durch sein kurzes Haar. »Er hat mir Teile daraus vorgelesen.«
    Ein Funke der Eifersucht durchzuckte sie, als sie sich neben ihn setzte und die Kante der Matratze umfasste.
    »Was stand drin?«
    Oscar bewegte sich unbehaglich. »Dass sie die Schwindsucht hat und dich sehen will, bevor sie stirbt. Dass sie dich nie vergessen hat.«
    Seiner Wiedergabe des Briefes ihrer Mutter fehlte die Befriedigung, nach der Camille sich gesehnt hatte. Sie wollte jedes einzelne Wort wissen, wollte die Worte auf der Seite sehen, ihre Wirkung spüren und sie dann noch einmal ganz von Neuem lesen. Oscar nickte, als erinnere er sich noch an etwas anderes.
    »Und dass ein weiterer Brief an Stuart McGreenery geschickt worden sei.«
    Camille ließ die Matratze los.
    »Stuart McGreenery? Weshalb das denn?«
    Sie war dem Geschäftsrivalen ihres Vaters

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