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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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Hängematte, zog einen Fuß hinein und ließ den anderen noch auf dem Boden.
    »Im Brot sind Rüsselkäfer und der Kohl ist faulig.«
    Camille verzog das Gesicht. »Gibt es noch etwas anderes?«
    »Gekochte Kartoffeln«, antwortete er und zeigte auf den Schrank, wo eine Schale auf sie wartete. Sie schluckte die geschmacklosen Klumpen im sanften Licht der Öllampe herunter. Dann ließ sie sich wieder in ihre Hängematte fallen. Das üppige Frühstück, das Juanita vor dem Aufbruch der Christina zubereitet hatte, kam ihr in den Sinn, gefolgt von der Erinnerung an ihre morgendlichen Spaziergänge über den Markt mit Randall. Was würde er sagen, wenn er sie jetzt sehen könnte, verletzt und erschöpft? Vielleicht war dieser Aberglaube, dass Frauen auf Schiffen Unglück brachten, doch nicht so ein Unsinn. Sie erinnerte sich an die Stimme, die in ihren Ohren widergehallt hatte, und an den kühlen Wind, der den Geruch von Myrrhe getragen hatte und der kurz vor dem Wiederaufleben des Sturms geweht hatte.
    »Oscar«, sagte sie und drehte sich zu ihm um. Er hatte die Augen geschlossen. »Denkst du, es könnte meine Schuld gewesen sein?«
    Er antwortete nicht, und sie fragte sich, ob er bereits eingeschlafen war. So ist er besser dran , dachte sie. Sie verschränkte die Arme über der Brust und schob sie unter die Decke.
    »Was meinst du mit ›deine Schuld‹? Das Schiffsunglück?«, fragte er und klang so, als sei er aus einem leichten Schlummer erwacht.
    »Ich habe eine Stimme gehört, kurz bevor der Sturm zurückgekehrt ist, aber es war niemand da. Und da war ein Trommeln und Singen in einer fremden Sprache.« Sie wusste, dass ihre Worte keinen Sinn ergaben. Es war spät gewesen, sie war müde gewesen und ihr Geist überwältigt von Gedanken an den Brief ihrer Mutter.
    »Du musst mich für verrückt halten«, flüsterte sie und wünschte, sie hätte nichts gesagt. Aber dann dachte sie an den Totenkopf in der gelbgrünen Monsterwelle. Ihr Vater hatte ihn ebenfalls gesehen. Wie konnte eine Welle einfach so in der Luft schweben und darauf warten anzugreifen?
    »Ich weiß nicht, was du gehört hast«, sagte Oscar, und das Ende seines Satzes ging in einem Gähnen unter. »Aber es war nicht deine Schuld. Nichts von alldem scheint mir real zu sein. Ich muss eine Möglichkeit finden, uns wieder nach Hause zu bringen.«
    Wohin nach Hause? Ihr Vater war für sie das Zuhause, sonst nichts, und er war fort. Also war ihr Zuhause ebenfalls fort.
    »Wir werden eine Nachricht an die Reederei schicken«, sagte Oscar mit einem neuerlichen Gähnen. Er legte mit halbgeöffneten Augen einen Arm über seinen Kopf und wandte sich zu dem nachtschwarzen Flaschenglas um. Kein Matrose, nicht einmal Oscar, hatte auf der Christina in ihre Kajüte kommen dürfen. Sie hatte noch nie in der Gegenwart eines Mannes geschlafen, und die Vorstellung, dass Oscar die ganze Nacht über nur wenige Schritte von ihr entfernt liegen würde, machte sie unruhig und zerstörte jede Aussicht auf Schlaf.
    Er bemerkte, dass sie ihn ansah.
    »Was ist los?«, fragte er. Camille wandte sich hastig ab.
    »Nichts«, antwortete sie. Schuldgefühle erwachten in ihr, weil sie nicht besonders begierig darauf war, nach San Francisco zurückzukehren. Wenn es nach ihr ging, würde sie damit zufrieden sein, für immer in der Hängematte im Krankenraum zu bleiben. Sie hörte im Kopf wieder die Stimme ihres Vaters. Das klingt gar nicht nach meiner Camille. Sie ist nicht so schwach.
    Zwei Etagen unter dem Krankenraum träumte Daphne, die das Orlopdeck nicht verlassen durfte, wahrscheinlich von dem Schicksal, das sie in Melbourne erwartete. Sie nahm ihr Schicksal selbst in die Hand und ließ nicht zu, dass andere es für sie machten. Das erforderte wahre Stärke.
    Camille schreckte in ihrer Hängematte hoch und ein Funke flammte in ihrer Brust auf.
    »Oscar, wie weit ist Port Adelaide von Melbourne entfernt?«
    Er hob seinen kräftigen Unterarm.
    »Camille, du bist gerade erst mit dem Leben davongekommen.«
    »Wie weit?«, beharrte sie.
    »Zu weit. Vor allem mit leeren Taschen.« Er legte den Arm wieder über die Augen. »Lass uns zuerst nach Melbourne kommen.«
    Camille war davon überzeugt, dass Oscar alles über den Brief wusste, jede Einzelheit, die zu lesen sie keine Zeit gehabt hatte. Ein leichtes Schnaufen in seinem Atem hinderte sie daran zu fragen. Er brauchte genauso sehr Ruhe wie sie. Sie lauschte auf seinen Atem, der dem Rhythmus des knarrenden Schiffs folgte, und fand Trost

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