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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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darin, dass er bei ihr war. Er hatte ihr das Leben gerettet, hatte sie aus den Wellen gezogen und dem sicheren Tod entrissen.
    »Danke«, flüsterte sie. »Dafür, dass du mich gerettet hast.«
    Er antwortete nicht, bis auf ein leises Stöhnen. Eine Bestätigung, dass er sie irgendwo in seinem Traum gehört hatte.

Kapitel 7
    P ORT M ELBOURNE , A USTRALIEN

    Camille zog die Vorhänge zurück und Sonnenlicht strömte durch zwei schmuddelige Fenster. Draußen, vor Melbournes Hafenfront, wurde eine endlose Reihe von Schonern, Schaluppen, Barken und Briggs vom Seewind leicht auf die Seite gedrückt. Kohleschwarze Wellen rollten an Land, krachten gegen Stege und Kaimauern und sprühten Kaskaden weißer Gischt in die Luft.
    Endlich befreit von der Londoner und den Tagen monotonen Lebens unter Deck, stand Camille in einem kleinen Raum mit weiß getünchten Wänden und einem einzigen schmalen Bett. Ein Gefühl von Freiheit belebte und ängstigte sie zugleich. Es gab so viel zu tun – so vieles, worum sie sich kümmern musste. Die Versicherung … ihr Vater hatte seine Schiffe versichert, aber wie kam sie jetzt an das Geld? Sie knibbelte an ihrem Fingernagel. Andererseits hatten sie vielleicht doch keine Versicherung. Sie waren schließlich fast bankrott.
    Zumindest hatten sie einen Platz gefunden, wo sie bleiben konnten. Oscar und Camille hatten sich mit Daphne und ihren »Mädchen« zusammengetan und einige Zu-vermieten-Schilder gefunden, die an Türen und Zaunpfähle von Häusern genagelt waren, deren Besitzer zu den Goldlagerstätten ins Landesinnere gegangen waren. Tatsächlich kam Camille der größte Teil dessen, was sie von Melbourne gesehen hatte, wie eine Geisterstadt vor, mit leeren Ladenfronten und verlassenen Schiffen im Hafen.
    Jemand klopfte mit den Knöcheln an die Tür zu ihrem Zimmer. Oscar trat ein, eine rissige Porzellanschale in einer Hand und einen Löffel in der anderen. Sie bemerkte die harten Linien um sein Kinn und begann mit ihrer Aufmunterungsrede, die sie an diesem Tag schon zweimal gehalten hatte.
    »Oscar, wir sind am Leben und in Melbourne, und das ist alles, was zählt.«
    Die Tür fiel hinter ihm zu. Er stellte die Schale auf die Ankleidekommode und warf den Löffel in den Brei. »Wir sind am Leben, in Melbourne, und wohnen in einem Hurenhaus.«
    Camille erhaschte einen Blick auf sich selbst in einem Schminkspiegel, der an manchen Stellen vom Alter trüb geworden war. Ihr zerzaustes Haar war ihr peinlich, und die hässliche Schnittwunde an ihrer Stirn war purpurn angelaufen und geschwollen. Es würde eine Narbe zurückbleiben, eine dauerhafte Erinnerung an den Moment, in dem sich ihr Leben für immer verändert hatte.
    »Wir sollten Daphne als unsere Verbündete betrachten«, sagte sie und wandte sich wieder dem Hafen zu. Nur wenige Menschen schlenderten am Kai entlang und durch die Straßen, die vom Regen schlammig geworden waren. Von ihrem Fenster im ersten Stock aus gesehen schwankten die Masten auf Augenhöhe. Dutzende von Schiffen waren, soweit sie sehen konnte, an den Piers festgemacht, und unter ihnen entdeckte sie die Londoner. Camille war erleichtert darüber, von der Fregatte mit ihrer abweisenden Mannschaft weg zu sein.
    »Abgesehen davon, dass sie uns gerettet haben, hat niemand auf diesem Schiff uns Hilfe angeboten«, fuhr Camille fort. »Sie haben uns nicht einmal genug Essen gegeben. Daphne hat die anderen Frauen überredet zu teilen, damit wir überhaupt etwas hatten. Wir sollten dankbar sein.«
    Oscar ging zu den Fenstern hinüber, lehnte sich an eines und schaute zu den Schiffen hinaus. »Ich bin dankbar«, sagte er. »Aber wir können nicht hierbleiben. Das ist kein Platz für dich.«
    Camille wischte einen Schmutzfleck auf der Fensterscheibe weg. Es war nie Oscars Aufgabe gewesen, ihren Ruf zu schützen. Sie wollte nicht, dass er sich jetzt deswegen Sorgen machte. Von Anfang an, gleich nachdem ihr Vater Oscar den Dachboden des Kutscherhauses überlassen hatte, hatte Camille gewusst, dass Reputation niemals einen hohen Platz auf Oscars Liste wichtiger Dinge einnehmen würde. Die vorsichtige Reserviertheit, die er an den Tag legte, und der Umstand, dass er niemandem, erst recht nicht Camille, in die Augen sehen konnte, hatte offenbart, dass er bereits wusste, dass es wichtigere Dinge gab, um die man sich Sorgen machen musste, als Reputation. Aber vielleicht trieb ihn das Leben in Melbournes neuestem Bordell an seine Grenzen.
    Es war ihr erster Tag und Camille hatte sich

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