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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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neun Uhr reisefertig sein sollte. Sie nickte, denn um Aufschub zu bitten hätte den missmutigen Mann nur unnötig verärgert. Alice ging in Gedanken versunken zu ihrem Zimmer. Sollte sie die Staffelei und ihre bisher angefertigten Bilder bei den Bohremanns lassen? Der häufige Transport tat ihnen sicher nicht gut, aber sie wusste nicht, ob und wann sie an diesen Ort zurückkehren würde.
    Schritte hinter ihr ließen sie innehalten. Andrés, schoss es ihr durch den Kopf, und sie sah sich um. Ein anderer, größerer und wesentlich besser gekleideter Mann stand hinter ihr.
    »Ich muss jetzt wirklich mit dir reden«, flüsterte Juan Ramirez. Sie sog Luft in ihre Lungen. Ihr Herz hüpfte, doch war ihr nicht klar, ob aus Freude oder Nervosität. Warum vergaß sie ihre Liebhaber immer so schnell? Hatte Tante Grete am Ende recht gehabt, als sie ihre Nichte eine widernatürliche, kaltherzige Person nannte?
    »Darf ich in dein Zimmer kommen?«
    Er klang nicht mehr flehend, sondern ungeduldig. Alice reckte ihr Kinn vor.
    »Wenn du uns zum Gerede auf der ganzen Hazienda machen willst, meinetwegen«, gab sie spöttisch zurück. »Aber ich reise ja ohnehin ab. Du wirst dir dann allein die Schimpftirade deiner Schwester anhören dürfen«
    Juan schien ihre Anspielung zu verstehen, denn er senkte den Kopf.
    »Darüber reden wir später. Geh jetzt einfach hinein, wir sollten hier nicht zu lange herumstehen. Ich komme, wenn alle schlafen. Aber öffne mir bitte diesmal die Tür.«
    Sie stieß ein spöttisches Lachen aus.
    »Und wenn ich es nicht tue?«
    »Alice, die Lage ist zu ernst für dumme Spiele!«, entgegnete er lauter.
    »Ganz wie du meinst. Ich bin bereit, mit dir zu reden, auch wenn du mich vor anderen Leuten wie Luft behandelst.«
    Er seufzte gequält.
    »Bis später, Alice. Ich werde dir alles erklären.«
    Sie sah ihn die Stufen hinuntereilen, wo Dr. Scarsdale neben den Pfirsichbäumen stand und mit prüfendem, leicht missbilligendem Blick zu ihnen hochschaute. Alice straffte die Schultern. Sie hatte den Amerikaner für einen Bücherwurm, aber nicht für einen Moralapostel gehalten. Vermutlich gefiele es ihm nicht, wenn die Lage sich durch Liebschaften unnötig verkomplizierte, aber eigentlich schien er klug genug, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
    Alice stieß die Tür zu ihrem Zimmer auf. Der Raum war sauber wie immer, doch nun standen frische Blüten in einer Vase auf dem kleinen Tisch, und jemand hatte das Spitzendeckchen darunter gegen ein mit Rosen besticktes Tuch ausgetauscht. Ihr war bereits aufgefallen, dass ihr Zimmer seit ein paar Tagen durch winzige Veränderungen an Farbe und Gemütlichkeit gewann, als widme Marcella sich erstmals gern ihrer Aufgabe als Dienstmädchen. Diese Verwandlung hatte nach der Nacht begonnen, in der Alice Andrés bei sich versteckt hatte.
    Auch Marianas Fressnapf war bereits gefüllt, und der Hund stürzte sich mit Begeisterung auf sein Futter, während Alice begann, für die Reise nach Palenque zu packen. Sie überlegte, ob sie die Bohremanns bitten konnte, einen Teil ihres Gepäcks bereits nach Veracruz zu transportieren und irgendwo am Hafen lagern zu lassen, doch nach längerem Überlegen schien ihr dies zu riskant. Ihre Bilder könnten durch Nachlässigkeit beschädigt werden, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als sie noch mal quer durch den Süden Mexikos transportieren zu lassen. Von Patricks Hinterlassenschaft nahm sie nur das Tagebuch mit. Die wissenschaftlichen Unterlagen hatte bereits Dr. Scarsdale, und über die Kleidung sollte Rosario verfügen, wie sie wollte.
    Ein leises Klopfen machte ihr klar, dass Juan Ramirez vor ihrer Tür stand. Sie öffnete. Dem schönen Mexikaner vorzuwerfen, dass er keine klare Position ihr gegenüber bezog, ergab wenig Sinn, solange sie selbst nicht wusste, was sie von ihm wollte. Vermutlich wäre sie erst wieder frei für eine Romanze, wenn sie das Rätsel um Patricks Tod gelöst hatte.
    Er trat schweigend ein, sah sich kurz um und wählte schließlich den einzigen Stuhl als Sitzgelegenheit. Dankbar, dass er ihr das Bett überließ, nahm Alice ebenfalls Platz. Ratlos und ein wenig verwirrt sahen sie einander an.
    »Ich möchte dich bitten, deine Entscheidung noch einmal zu überdenken«, sagte er schließlich. »Ich würde dich gern nach Veracruz begleiten.«
    »Du kannst ja auch nach Palenque mitkommen, wenn es dir vor allem um mich geht«, erwiderte Alice. Dann wurde ihr bewusst, dass seine Anwesenheit an der

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