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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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wärmender Mantel, in dessen weichen Stoff sie sich bereitwillig schmiegte. Sie brauchte nur die Augen zu schließen und sich fallen zu lassen, denn mit jeder Berührung versprach er, ihr Retter zu sein, der sie in Sicherheit bringen würde. Es wäre alles so einfach, wenn sie seinen Wünschen nachgab, sich von ihm lenken und leiten ließ. Er würde sie sicher an einen vertrauten, zivilisierten Ort bringen, von wo aus sie die Heimreise antreten konnte. Denn sie hatte Angst vor dem Dschungel, der Hitze und den wilden Tieren, die sie an der Grabungsstätte erwarteten, wo niemand, am allerwenigsten Dr. Scarsdale, ihre Anwesenheit wünschte.
    »Sag mir die Wahrheit«, flüsterte sie ihm zu, während sie spürte, wie sie sanft zu ihrem Bett geschoben wurde. »Sag mir, was du weißt und vor mir verbirgst, damit ich dir trauen kann.«
    Er erstarrte für eine Sekunde, versuchte dann, sie zu küssen, aber Alice wich zurück.
    »Du leugnest ja nicht einmal, dass du mir etwas verschweigst.«
    Sie war zu erstaunt, um wütend zu werden. Juan ließ sie los, hielt verlegen den Blick gesenkt und wollte zur Ablenkung Mariana streicheln, die aber mit einem leichten Knurren in die Zimmerecke floh.
    »Was hat sie denn gegen dich?«
    Alice sah verwirrt von ihrem Hund zu Juan.
    »War es … ich meine, bist du in das Zimmer gekommen, als ich auf der Plantage war, und hast ihr einen Tritt versetzt?«
    Er ging Richtung Tür.
    »Du phantasierst. Ich habe genug von diesen Anschuldigungen. Ich hoffe, du findest in Palenque, wonach du suchst, und kommst heil von dort zurück.«
    Ehe Alice etwas antworten konnte, war die Tür zugefallen. Sie stand regungslos da und lauschte, wie seine Schritte auf dem Balkon verhallten. Wehmut machte sich in ihr breit, so wie damals nach dem letzten Streit mit Harry. Sie trank ein Glas von dem Wasser, das Marcella ihr hingestellt hatte, und zog die Nadeln aus ihrem Haarknoten. Es gab Schlimmeres im Leben als den Verlust eines unzuverlässigen Liebhabers. Sie schlüpfte in ihr Nachthemd und kroch unter die Decke. Mariana drückte sich so eng an sie, als wolle sie mit ihr verschmelzen. Alice legte zufrieden einen Arm um den Hund.
    »Wenigstens habe ich dich«, flüsterte sie in das borstige Fell. Dann machte sich plötzlich jene Verlorenheit in ihr breit, die sie durch Patricks Tod kennengelernt hatte und die wie ein böser Geist in harmlosen Ecken lauerte, um unvermittelt über sie herzufallen. »Verflucht!«, murmelte sie, als sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen. Dann musste sie lachen, denn sie konnte Marianas tröstender Zunge nur knapp ausweichen.
    Die Reise nach Palenque verlief ohne besondere Zwischenfälle. Alice erhielt wieder ein kleines, zotteliges Pferd, und es bereitete ihr keine Beschwerden mehr, den Tag im Sattel zuzubringen. Sie hatte wieder die Indio-Kleidung angelegt, da keiner der Bohremanns mitreiste, und konnte in dem weiten Wollrock bequem im Sattel sitzen. Dr. Scarsdale erwies sich als unbarmherzig in seiner Eile, trieb Alice ebenso wie die Lastenträger und den Kutscher des einzigen Wagens sogar bei Regen an. Nur wenn alle im Straßenschlamm stecken blieben, kam es tagsüber manchmal zu unfreiwilligen Pausen. In einem dieser Fälle mussten ihnen vorbeiziehende Carreteros zu Hilfe kommen, da es den fünf Männern, die Hans Bohremann dem Archäologen zur Verfügung gestellt hatte, nicht gelang, den Wagen zu heben und eine gebrochene Achse zu reparieren. Dr. Scarsdale war derart aufgebracht über die Verzögerung, dass er wie ein unruhiger Geist im Regen herumlief. Nach gelungener Reparatur des Wagens, auf die glücklicherweise auch bessere Wetterverhältnisse folgten, musste Alice ihn daran erinnern, die freiwilligen Helfer zu entlohnen, sonst wäre er auf der Stelle weitergezogen. Er bedankte sich aufrichtig für den Hinweis und teilte ohne jedes Zögern Münzen aus. Seine Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen bedeutete nicht Gefühlskälte, wie Alice erkannte, sondern nur, dass seine Forschungsarbeiten ihm zu wichtig waren, um viel Raum für andere Gedanken und Empfindungen zu lassen.
    Obwohl die Trockenzeit erst in vier Monaten begann, fegte schon sandiger Staub über die Gebirgsstraßen. Alice band sich ein Tuch vors Gesicht, um Nase und Mund zu schützen, wie es auch die Indios und Dr. Scarsdale taten. Sie gewöhnte sich an die schlichten Herbergen, in denen sie Räume mit anderen Frauen teilen musste. Sie verspeiste Tortillas und Bohnen, wenn sie im Morgengrauen

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