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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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sie die nächsten Tage, vermutlich Wochen verbringen und darauf warten, dass Andrés Kontakt mit ihr aufnahm. Die Unterkünfte waren erschreckend primitiv. Sie bestanden nur aus Zelten und schlichten Holzhütten wie in Indio-Dörfern. Ungefähr ein Dutzend Arbeiter war hier untergebracht, die meisten von ihnen waren Indianer, doch Alice erkannte auch ein paar hochgewachsene, etwas hellhäutigere Männer, deren Aufgabe darin zu bestehen schien, Befehle zu erteilen, denn sie ließen die anderen Kisten und Säcke zu den Hütten schleppen, während sie selbst bei Dr. Scarsdale standen.
    »Wir haben Sie nicht so früh erwartet. Wir werden schnell alle Arbeiter auftreiben«, erklärte einer dieser Männer dem Archäologen auf Spanisch. Dr. Scarsdale teilte ihm durch ein Nicken mit, dass ihn dieser Umstand nicht besonders interessierte. Man hätte ihm auch Automaten hinstellen können, solange sie nur ihre Aufgaben erfüllten, dachte Alice. Dann begann sie sich zu fragen, wo sie selbst unterkommen würde.
    »Sie können die Hütte dort rechts beziehen, Miss Wegener«, sagte Dr. Scarsdale. »Wir haben dort einige Vorräte gelagert, aber ich werde dafür sorgen, dass diese woanders untergebracht werden. Ich vermute, Sie möchten nicht in einem Zelt schlafen wie Ihr Bruder.«
    Alice warf ihm einen dankbaren Blick zu und schämte sich fast, ihn für einen Egoisten gehalten zu haben. Er teilte seine Entscheidung einem der Männer in seiner Nähe mit, der sogleich in der Sprache der Indios Befehle erteilte. Vier halbwüchsige Jungen liefen in die Alice zugeteilte Hütte und begannen, Säcke hinauszuschleppen, die größer waren als sie selbst. Alice überkam Unbehagen, Auslöserin all dieser Arbeiten zu sein, doch sie sehnte sich danach, in dieser Wildnis wenigstens vier hölzerne Wände ihr Eigen nennen zu dürfen. Die Hütte war ziemlich schnell geleert, sodass sie auf ihre Habseligkeiten deuten konnte, die hineingetragen werden mussten. Die Indios packten wortlos zu, während Dr. Scarsdale den Rest des Lagers in Augenschein nahm. Dann erklang wieder Marianas Bellen. Alice sah entsetzt, wie ihr Hund an einem Jungen hochsprang, der gerade ihre Staffelei vom Wagen hob.
    »Mariana, komm her!«, rief sie, doch der Hund gehorchte nicht, sondern führte eine Art Freudentanz um den Jungen auf, der die Staffelei schnell abgestellt hatte, um ihn zu kraulen. Hinter ihr brüllte einer der Aufseher. Sie trat zu dem Hund, als der Junge sich zu ihr umwandte.
    »Julio!«, rief sie fassungslos und verzieh Mariana auf der Stelle ihr dummes Benehmen. Sie konnte kein Erstaunen in Julios Gesicht wahrnehmen, aber auch keine echte Freude. Er wirkte wesentlich älter, als sie ihn in Erinnerung hatte. Schatten lagen unter seinen großen braunen Augen, und seine Wangen waren eingefallen wie nach einer längeren Krankheit.
    »Wie kommst du denn hierher? Ich dachte, du wärst mit deinem Vater und deinem Bruder nach San Juan Guichicovi zurückgegangen.«
    »Das wollten wir, Señorita.«
    Er wischte sich die Hände an seiner Hose ab, deren einst weißer Stoff braun vor Schmutz war und zahlreiche Risse aufwies.
    »Auf dem Rückweg liefen wir noch mal diesen Männern in die Arme, die meinen Vater auf die Plantage schleppen wollten. Als er versuchte fortzulaufen, erschossen sie ihn.«
    Alice riss ungläubig die Augen auf.
    »Aber wie … sie können doch nicht einfach jemanden erschießen!«
    Hinter ihr brüllte der Aufseher einen Befehl. Alice drehte sich ungeduldig um.
    »Lass uns in Ruhe! Wir haben etwas Wichtiges zu besprechen.«
    Der Mann war groß für einen Mexikaner, überragte sie fast um eine Haupteslänge. Eine tiefe Narbe zerschnitt seine rechte Wange, was ihn wie den Bösewicht aus einem Bilderbuch aussehen ließ. Als er Alice wütend anfunkelte, war sie bemüht, sich keine Furcht anmerken zu lassen. Wenn sie hier ein klein wenig Einfluss haben wollte, musste sie sich vor diesen Männern Respekt verschaffen. Der Aufseher machte einen bedrohlichen Schritt in ihre Richtung. Sie wich nicht zurück. Kurz trafen sich ihre Blicke, sie hielt seinem Zorn ihre damenhafte Herablassung entgegen und bemerkte zufrieden, wie einer seiner Gefährten ihn am Ärmel zupfte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Beide Aufseher zogen sich zurück.
    »Das war Martin, und der ist hart«, flüsterte Julio. »Es ist nicht gut, wenn er Sie nicht mag, Señorita.«
    »Ich kann damit leben. Und jetzt sag mir, was genau passiert ist. Wenn dein Vater erschossen wurde, dann …

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