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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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überwältigt, um mehr als nur lächelnd nicken zu können. Sie bat um Badewasser, das aber angeblich schon für sie vorbereitet wurde. Dann öffnete sie die Tür zu ihrem nächsten vorübergehenden Zuhause.
    Das Zimmer war groß und hell, insgesamt weitaus einladender als ihre winzige Dachwohnung in Charlottenburg. Wieder verbreitete ein Blumenstrauß betörenden Duft, umgeben von einer mit ähnlich bunten Blüten bestickten Tischdecke. Bilder von exotischen Vögeln und Palmen zierten die Wände. Sie trat erfreut ein, ließ sich in einen gepolsterten Sessel fallen und schlüpfte aus ihren Schuhen. Sie würde luftigeres Schuhwerk brauchen, ebenso wie ein paar neue Sommerkleider. Als die Kofferträger das Gepäck abstellten, fiel ihr ein, dass sie für den geplanten abendlichen Ausflug mit Juan Ramirez nichts zum Anziehen hatte. Das mit Pailletten verzierte, für ihre erste Ausstellung erworbene Abendkleid aus Rohseide war in Berlin geblieben, denn sie hatte nicht damit gerechnet, es hier zu brauchen. Zu ihrem Erstaunen war dieser Umstand höchst ärgerlich für sie, da sie neben dem geschmeidig eleganten Mexikaner nicht wie eine verschwitzte, zerrupfte Vogelscheuche aussehen wollte. Nach ungefähr zehn Minuten wurde endlich eine Wanne mit warmem Wasser hereingebracht. Alice bedankte sich und drückte dem Personal ein paar deutsche Münzen in die Hand, da sie keine anderen besaß. Dann knöpfte sie erleichtert ihr Sommerkleid auf. Sie würde zunächst sich selbst vom Schweiß befreien, dann ihr Kleid gründlich waschen. Bei diesen Temperaturen musste es bis zum Abend getrocknet sein. In ihrem Koffer steckten Spitzenhandschuhe und samtene Haarbänder, die ihrer Erscheinung etwas mehr Eleganz verleihen könnten. Leise summend machte Alice sich ans Werk. Immerhin war sie Künstlerin.
    Durch das offene Fenster blies bereits etwas kühlere Abendluft, als Alice ihr Gesicht gründlich puderte. Sie hoffte, nun für die nächsten Stunden gegen glänzende Schweißflecken geschützt zu sein. Ein dunkelblaues Band hielt ihr Haar in Form, das sie offen über ihre Schultern fallen ließ. Das Kleid war tatsächlich rechtzeitig trocken geworden und glücklicherweise einigermaßen glatt. Alice drehte sich vor dem Spiegel. Sie war zufrieden mit ihrer Erscheinung, fühlte sich sauber und frei von schweißtreibend enger Kleidung. Sie hatte bereits vor Jahren aufgehört, Korsetts zu tragen, und da sie beim Malen häufig Mahlzeiten vergaß, war sie inzwischen zu dünn, um wirklich eines zu brauchen.
    Es klopfte, und sie eilte zur Tür. Juan Ramirez wirkte nun noch eindrucksvoller in einem strahlend weißen Hemd und einer dunklen Weste. Sein Schnurrbart glänzte wie mit schwarzem Lack aufgemalt über makellos weißen Zähnen, als er Alice anlächelte.
    »Bonita, muy bonita«, murmelte er anerkennend und bot ihr den Arm an. Sie hakte sich ohne Zögern bei ihm ein. Als sie gemeinsam die Treppe hinabgingen und aus dem Hotel hinaustraten, spürte sie anerkennende Blicke in ihrem Rücken. Es befremdete sie, wie viel Freude das in ihr auslöste.
    Am Abend schien Veracruz noch lebendiger. Alice sah an allen Ecken und vor sämtlichen Lokalen Straßenmusiker mit Gitarren und hölzernen Xylofonen, die Marimbas genannt wurden, spielen. Manchmal wetteiferten sie lautstark um Zuhörer, was zu einem unangenehmen, disharmonischen Übermaß an Klängen führte, doch meist siegte auch in diesem Durcheinander die Vernunft, die Musiker ließen einander geduldig zu Ende spielen, bevor der Nächste an die Reihe kam. Bunt gekleidete Händler mit dem üblichen Tand und plaudernd flanierende Pärchen schoben sich an Alice vorbei. Juan Ramirez führte sie in ein niedriges hölzernes Gebäude, wo sie an einem großen Tisch Platz nahmen.
    »Hier ist es richtig mexikanisch«, sagte er mit dem üblichen strahlenden Lächeln. »Das Essen schmeckt scharf, ich warne Sie. Aber Sie sind sicher nicht um die halbe Welt gefahren, um wie in Europa zu speisen.«
    Alice nickte. Die Momente der Panik waren vorüber, sie empfand nur noch neugierige Aufregung und war bereit, alles anzunehmen, was dieses fremde Land ihr bot. Zunächst einmal waren das viele Männer, die in diesem Lokal beieinanderhockten. Sie rauchten, spielten Karten und redeten laut, so wie es auch in Berliner Kneipen üblich war, doch ihre Gesichter waren hier dunkler und fremder. Alice spürte Blicke wie Messerspitzen auf ihrer Haut und straffte ihre Schultern. An das Gaffen würde sie sich wohl gewöhnen

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