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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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fiel ihr Blick auf die abgenagten Hühnerknochen.
    »Wo halten sie hier eigentlich das Geflügel? Ich habe keinen Stall gesehen, auch keine anderen Hühner?«, fragte sie, denn sie war es gewöhnt, in Indio-Dörfern über Vieh zu stolpern.
    »Sie haben keine Hühner, auch keine Schafe oder Rinder. Nicht einmal Hunde halten sie. Sie bauen Mais und Tabak an, aber nur sehr maßvoll. Sobald der Boden ausgelaugt ist, ziehen sie weiter. Grundbesitz ist ein Konzept, das ihnen fremd ist. Ansonsten leben sie von gesammelten Früchten, vom Fischfang und von der Jagd. Mit ihren Pfeilen können sie sogar Jaguare erlegen. Ich habe vor ein paar Tagen mitbekommen, wie sie die Beute ins Dorf trugen.«
    »Aber was habe ich da gegessen?«, fragte Alice unbehaglich. Sie hörte ihn lachen.
    »Einen Papageien. Er gilt hier als Delikatesse. Chan Nuk wollte dir eine Freude machen.«
    Obwohl Alice die bunten, lauten Vögel inzwischen ins Herz geschlossen hatte, blieb sie auch innerlich erstaunlich ruhig. Ihr war klar, dass sie in dieser Welt andere Lebensweisen hinnehmen musste, solange sie sich in ihr aufhielt.
    »Das also sind die letzten richtigen Indianer Mexikos«, stellte sie fest und schaute Andrés mit einem verschmitzten Lächeln an. Sein Gesicht blieb ernst, doch schien er nicht verärgert.
    »Die Lebensbedingungen hier sind sehr einfach, noch einfacher als in meinem Heimatdorf. Die Leute sind völlig den Naturgewalten ausgeliefert und leben von der Hand in den Mund. Viele von ihnen fallen Schlangenbissen zum Opfer, gegen die es hier kein Heilmittel gibt. Doch unglücklich scheinen sie nicht zu sein.«
    Alice nickte. Diese Einschätzung entsprach auch ihrem ersten Eindruck. Die Indios in dem Elendsviertel von San Cristóbal hatten abgestumpft und verwahrlost gewirkt. Aber hier gab es keinen Aguardiente, der ihre Sinne abtötete, keine Befehle brüllenden Ladinos und keine Capataces, die sie an Bäumen aufhängten.
    »Sie nennen sich Hach Winik«, erklärte Andrés. »Ich weiß nicht, was es bedeutet. Aber sie scheinen stolz auf ihre Lebensart zu sein.«
    Alice war nicht wirklich klar, was in ihm vorging. Sie wusste, dass ihm seine indianische Herkunft wichtig war, doch er schien sie mal als Last und dann wieder als Verantwortung zu empfinden. Wie verwirrend musste nun ein Volk auf ihn wirken, das abgeschottet vom Rest der Welt einfach nur seinen Traditionen folgte und damit zufrieden war?
    »Möchtest du denn bei ihnen leben? So wie Ix Chel es tut?«
    Kaum hatte sie diese Frage ausgesprochen, empfand sie Angst, er würde zustimmen. Sie konnte sich nicht erklären, woran es lag. Für sie war hier kein Platz, sie wollte ihre Bilder malen und nicht den Rest ihrer Tage in einem winzigen Dschungeldorf zubringen. Doch welche Rolle spielte Andrés in ihren Zukunftsplänen? Sie hatte bisher keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Und jetzt war auch nicht der richtige Moment dazu.
    »Mein Weg ist ein anderer«, unterbrach Andrés ihre Gedanken. »Ich war zufrieden als Ingenieur in Ciudad de México. Ich wünsche mir für andere Leute meines Volkes solche Möglichkeiten. Alice, das alles hier …«
    Er wies auf die Wände der Hütte, das schlichte Tongeschirr, die aufgehängten Tabakblätter und die Säcke mit Maiskolben, Dinge, die sie bisher in fast allen Indio-Hütten gesehen hatte, obwohl sie ihr in dieser nicht gleich aufgefallen waren.
    »All das ist ein Teil der Vergangenheit. Man ist bereits im Begriff, die Bäume des Regenwalds zu fällen. Sehr lange werden diese Leute sich hier nicht mehr verstecken können.«
    Mehr noch als sie selbst schien Andrés ein Mensch, der vom Verstand geleitet wurde. Bei der Vorstellung, dass diese kleine, in sich ruhende Welt der Hach Winik dem Untergang geweiht war, überkam sie eine Wehmut, die sie bei ihm nicht erkennen konnte.
    »Als du krank warst, da gelang es der Heilerin, mir eine hier weitverbreitete Vorstellung begreiflich zu machen«, fuhr er fort. »Sie halten die Mahagonibäume für heilig, Alice. Sie sagen, wenn einer von ihnen gefällt wird, dann stürzt ein Stern vom Himmel.«
    Nun lag Schmerz in seiner Stimme. Alice staunte, dass ihre Augen feucht wurden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis vielleicht das ganze Firmament über diesen Menschen einstürzte, doch noch vor zwei Monaten hätte das Schicksal irgendwelcher Urwaldindianer sie nicht interessiert.
    »Kannst du sie nicht irgendwie warnen?«, fragte sie Andrés. »Damit sie sich verstecken.«
    »Ich glaube, sie wissen von der

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