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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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alten Denken verhaftet. Man hält die Mayas meist für friedlicher als die Azteken, welche später die Herrschaft hierzulande an sich rissen. Aber ich habe ihre Tempel und Götterstatuen gesehen. Sie drücken alle archaische Wildheit aus, eine Art von Unschuld, bei der Menschen sehr grausam werden können, da ihnen das Üble an ihren Taten nicht bewusst ist. Ihr Bruder, Miss Wegener, hat leider einige Fehler gemacht. Er ging zu enge Beziehungen mit diesen Leuten ein.«
    Alice fuhr zusammen.
    »Sie meinen, er wurde umgebracht, weil er sich ihnen gegenüber freundschaftlich verhielt?«
    Dr. Scarsdale hob abwehrend die Hände.
    »Das allein war es nicht. Ich fürchte, er geriet in etwas hinein, das ihm über den Kopf wuchs. Er hatte ein sehr … sehr enges Verhältnis zu einem Indio-Mädchen.«
    Kurz tupfte der Archäologe sich seinen Mund mit einer Serviette ab. Alice ahnte, dass es ihm nicht leichtfiel, über diese Dinge zu reden. Sie versuchte, sich den kleinen, bebrillten Mann in den Armen einer Frau vorzustellen. Es gelang ihr nicht.
    »Das gefiel den traditionellen Indios nicht«, fuhr Dr. Scarsdale fort. »Zudem scheint sich in der Region ein Aufstand angebahnt zu haben. Die Indios halten weiße Männer für sehr mächtig. Sinn und Zweck der … der Menschenopfer ist es, die Gunst der Götter zu gewinnen, aber auch die Kraft der Getöteten für eigene Zwecke zu nutzen.«
    Alice krallte ihre Hände um die Stuhllehne. Ihr war so unerträglich heiß, dass sie fürchtete, in Wasser und Tränen zu zerfließen.
    »Das klingt wie die Geschichte aus einem Schauerroman oder wie eine Sage aus barbarischen Zeiten. Wir leben seit drei Jahren im zwanzigsten Jahrhundert!«
    »Aber die Menschen in diesem Land leben in barbarischen Zeiten«, entgegnete der Archäologe ruhig. »Oder so scheint es wenigstens. Begreift man ihr Denken, so hat es durchaus seine Logik.«
    Er winkte den Kellner herbei, um noch zwei Gläser kühler Limonade zu bestellen.
    »Der Mörder Ihres Bruders ist bekannt, und es wird nach ihm gesucht«, erklärte er. »Hans Bohremann, ein sehr einflussreicher deutschstämmiger Besitzer mehrerer Kaffeeplantagen, mit dem ich persönlich bekannt bin, wird sich dafür einsetzen, dass zügig eine angemessene Bestrafung vollzogen wird. Eine Hinrichtung ist angesichts der Schwere des Verbrechens die einzige Möglichkeit.«
    Alice griff gierig nach dem kühlen Glas und trank mit einem Schluck fast die Hälfte der Limonade.
    »Und wer soll das sein, der Mörder meines Bruders?«
    Dr. Scarsdale entspannte sich ein wenig, als sei dies in seinen Augen endlich eine vernünftige Frage gewesen.
    »Ein Indio namens Andrés Uk’um, mit dem Ihr Bruder sich anfreundete. Er gilt als Aufwiegler. Ihr Bruder verbrachte viel Zeit mit ihm, es war daher leicht, ihn in eine Falle zu locken. Seit der Ermordung ist dieser Andrés verschwunden, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis er gefasst wird. Glauben Sie mir, Miss Wegener, man wird für Gerechtigkeit sorgen.«
    Die ruhige, eindringliche Stimme von Dr. Scarsdale schien Alice’ Gedanken zu ordnen. Patrick war ein Träumer gewesen, ein unvorsichtiger, schwärmerischer Mensch. Für ein Land, in dem wilde, barbarische Zustände herrschten, war er nicht geschaffen, was sie hätte wissen müssen. Das Gefühl von Schuld würde sie vermutlich bis an ihr Lebensende begleiten.
    »Was ist mit Patricks Leichnam?«, fragte Alice leise.
    »Er wird nach Deutschland überführt werden, keine Sorge. Die deutschen Kaffeebarone in der Region werden sich darum kümmern, sie haben gute Kontakte zu den lokalen Behörden und auch zu Reedereien in Veracruz. Sie selbst, Miss Wegener, sollten sich nun um das Arrangement der Beerdigung kümmern und auch um seinen Nachlass. Ihr Bruder hatte ein beachtliches Vermögen geerbt, soviel ich weiß.«
    Alice lehnte sich zurück.
    »Unser Vater war Bankier«, berichtete sie. »Er war mäßig erfolgreich, aber Patrick war der Alleinerbe. Er litt keine Not, konnte … konnte seinen Neigungen folgen.«
    Sie wollte nicht hinzufügen, dass ebendies ihn sein Leben gekostet hatte. Wäre er in Berlin geblieben und hätte er die Nachfolge seines Vaters angetreten, wie dieser es immer gewünscht hatte … Dr. Scarsdale unterbrach diese Gedanken.
    »Die nächste Erbin dürften Sie sein, Miss Wegener. Sorgen Sie dafür, Ihr Recht durchzusetzen, notfalls mithilfe eines Anwalts. Ihr Bruder sprach stets mit viel Wärme von Ihnen. Ich weiß, es wäre sein Wunsch gewesen, dass Sie

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