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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Unterschied, welches sie nahm. Sie versank in den Tiefen einer weichen Matratze. Die Decke war dick und schwer, etwas unpassend für tropische Temperaturen, doch sie verbreitete ein Gefühl häuslicher Gemütlichkeit. Ein kleiner, breitschultriger Indio-Junge trug Alice’ Koffer auf dem Kopf herein. Als er ihn abstellte, wechselte er ein paar Worte mit Elaine Palmer in einer Sprache, die sich nicht nach Spanisch anhörte.
    »Ist das ein Verwandter von Ihnen?«, fragte Alice frei heraus, als er wieder verschwunden war. Elaine nickte.
    »Ja, der Sohn einer Cousine. Meine Mutter gehörte den Tzotzil-Maya an. Sie arbeitete im Haus einer reichen Familie als Muchacha, als Hausmädchen, und lernte so meinen Vater kennen, der dort den Töchtern das Zeichnen beibrachte.«
    In Erwartung eines längeren Gesprächs hatte Elaine sich auf das gegenüberliegende Bett gesetzt. Alice fiel auf, dass ihre Augen von hellem Grau waren. Kleine dunkle Punkte in den Pupillen ließen Alice an Granit denken.
    »Das klingt nach einer aufregenden Romanze«, kommentierte sie die Geschichte. Elaine lachte glucksend.
    »Ganz so romantisch war es nicht. Mein Großvater redete ungefähr zehn Jahre lang nicht mit meiner Mutter, weil sie keinen Mann aus ihrem Volk hatte wählen wollen. Die Malerei erschien dem störrischen Bauern als höchst dubiose Art des Gelderwerbs. Ach, Verzeihung, ich vergaß, der junge Señor hat mir erzählt, dass Sie auch malen.«
    Alice fragte sich, warum Juan Ramirez so viel über sie redete.
    »Ja, aber ich unterrichte nicht«, erwiderte sie. Sie wollte nicht hinzufügen, dass sie bereits Bilder ausgestellt hatte, denn das hätte sich allzu wichtigtuerisch angehört.
    »Mein Vater versuchte auch, ein paar Bilder zu verkaufen, denn mit einer India als Gemahlin war er den meisten vornehmen Herrschaften als Hauslehrer suspekt geworden.« Wieder lachte Elaine auf eine Art, die sie sehr jung aussehen ließ. Alice verspürte einen Stich von Neid. Warum fiel es ihr immer so schwer, ihre steife Zurückhaltung abzulegen? Es war, als stecke sie in einem Panzer fest, den sie nicht abschütteln konnte.
    »Aber reich wurde er so nicht. Diese Herberge war die Idee meiner Mutter. Sie stellte sehr viel Verwandtschaft ein, und ihre Familie verzieh ihr allmählich, denn sie bekamen von niemandem so gute Löhne wie von meinem Vater. Ich wuchs hier auf. Frankreich habe ich nie gesehen, meine dortige Familie kenne ich nur von den zwei Bildern am Eingang. Ich weiß nicht, ob ich ihnen wirklich willkommen wäre.«
    Sie hob eine Hand, an der bunte Armreife klapperten, und warf sich einen Zopf über die Schulter.
    »Sie sollten auf jeden Fall einmal nach Europa fahren, wenn sich eine Gelegenheit ergibt«, riet Alice. Zwar wollte sie sich nicht ausmalen, was ihr Vater und Tante Grete zu einer derart exotischen Verwandten gesagt hätten, wenn sie plötzlich vor ihrer Tür gestanden hätte, aber es mussten nicht alle europäischen Familien wie die ihre sein.
    »Ja, vielleicht«, antwortete Elaine ohne große Begeisterung. »Frederick will mit mir erst einmal nach Texas, aber bisher konnten wir uns die Reise nie leisten. Er hat vor über zehn Jahren hier haltgemacht, da war er Handelsreisender, kein besonders erfolgreicher, fürchte ich.«
    Wieder gluckste sie fröhlich.
    »Ich konnte ihn jedenfalls davon überzeugen zu bleiben. Seit dem Tod meiner Eltern führen wir die Herberge allein.«
    Sie erhob sich.
    »Ich muss jetzt in die Küche. Sie sind sicher hungrig.«
    Alice nickte dankbar. Es musste an der frischen Luft liegen, dass ihr Appetit zu einem gierigen Wolf geworden war, den sie in ihrem Inneren verbarg. Elaine warf noch einen kurzen Blick auf den Koffer und dann auf Alice.
    »Ich fürchte, Sie schwitzen hier entsetzlich in Ihrer Kleidung«, meinte sie. Alice fehlte die Kraft, dies abzustreiten. Sie wollte nicht genau hinsehen, in welchem Zustand ihre einst so blütenweiße Rüschenbluse mittlerweile war.
    »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, dann kleiden Sie sich ein wenig wie die Frauen hierzulande. Wenigstens während der Reise. Wir wissen, wie man es am besten in der Hitze aushält. Ach ja, und ich werde Ihnen natürlich gleich Wasser für ein Bad bringen lassen.«
    Elaine lächelte zum Abschied, dann eilte sie davon. Ein Windhauch von Energie und Lebensfreude schien nach ihrem Verschwinden noch kurz durch den Raum zu wehen. Alice freute sich, sie beim Abendessen wiedersehen zu können, denn seit der Nachricht von Patricks Tod war sie

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