Der Duft des Regenwalds
Gespräch. »Der gute Robert malte bis an sein Lebensende.«
Elaine verschwand in die Küche, um bald darauf mit Schüsseln und Brettern zurückzukehren, gefolgt von drei Mädchen, die vermutlich zu ihrer weitverzweigten indianischen Familie gehörten. Sie trugen gebratenes Fleisch, die üblichen Maisfladen, gekochtes Gemüse und verschiedene Getränke auf. Alice griff gierig zu, denn sie begann sich allmählich an das scharfe Essen zu gewöhnen.
»Versuchen Sie das einmal. Pozol, eine Mischung aus Maismasse und Wasser«, sagte Elaine, als sie ihr einen Becher mit einer weißlichen Flüssigkeit entgegenhielt. Alice nahm das Getränk an und nippte daran. Es war ungefähr so geschmacksneutral wie reines Wasser, doch es half, den durch scharfes Essen entstandenen Brand auf ihrer Zunge zu löschen.
»Indios trinken das, wenn sie lange Wege zurücklegen müssen, denn es kräftigt«, setzte Elaine ihre Ausführungen fort. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen morgen auch Atole zubereiten. Das ist ebenfalls ein aus Maismasse hergestelltes Getränk, doch da ihm Zucker und Milch beigemischt werden, ist es etwas schmackhafter.«
Alice schenkte ihr wiederum ein höflich interessiertes Nicken und bedankte sich für das Angebot. Ihre Einstellung zu den Ureinwohnern war durch den Tod ihres Bruders deutlich misstrauischer geworden, doch sie wollte die freundliche Hausherrin nicht kränken, indem sie schlecht über deren Verwandtschaft sprach.
Im Hintergrund erklang ein Räuspern. Das alte mexikanische Ehepaar am Ende des Tisches war bisher so still und unauffällig gewesen, dass Alice seine Anwesenheit kaum wahrgenommen hatte. Nun erhob ein kleiner, grauer Mann in einem schäbigen Frack seine Stimme.
»Unsere Tochter lebt in Campeche«, sagte er in gebrochenem Französisch, »alle Leute dort haben Angst vor dem nächsten Angriff dieser teuflischen Indianer, die seit Jahrzehnten Angst und Schrecken verbreiten. Ich wünschte mir, der Regierung würde es endlich gelingen, sie auszumerzen. Dann hätten wir Frieden.«
Seine Frau, die ihr Haar trotz der Wärme unter einer dunklen Haube verbarg, nickte mit betrübter Miene.
Elaine Palmer fuhr auf. Frederick warf ihr einen beruhigenden Blick zu, Juan Ramirez hatte wieder eine undurchdringliche Miene aufgesetzt, während Dr. Scarsdale versonnen seine indianischen Figuren musterte. Alice wartete einfach nur ab. Es war still geworden, allein das Schmatzen der zwei Ernestos drang noch an ihre Ohren. Sie beneidete die Kutscher um ihren Gleichmut.
Elaine Palmer begann auf Spanisch zu reden, erstaunlich ruhig trotz des Umstandes, dass ihre Augen granitgraue Funken sprühten. Alice erfasste nur ungefähr den Sinn ihrer Worte, in denen es um die Armut der Indios ging, denen nach und nach immer mehr Land genommen wurde. Der alte Herr gab eine heftige Antwort, mehrfach unterbrochen von seiner Frau, die über mehr Stimmgewalt verfügte, als ihre schmächtige Gestalt erahnen ließ. Bald schon flogen Worte wie Geschosse hin und her. Alice sah verwirrt zu Dr. Scarsdale, der vielleicht ebenfalls Schwierigkeiten hatte, dem Gespräch zu folgen. Aber er schien sich nicht einmal darum zu bemühen, sondern war weiter in die Betrachtung seiner Figuren vertieft.
»Basta«, mischte sich Frederick Palmer ins Gespräch, so entschieden und laut, dass er für einen winzigen Moment alle zum Schweigen brachte. Als er weitersprach, war sein Spanisch langsam und klar, sogar für Alice verständlich.
»Wir alle sollen hier zusammen in Frieden leben, und genau darum müssen wir uns bemühen.«
Das alte Ehepaar erwiderte nichts, schien aber den Appetit verloren zu haben, denn die beiden starrten schweigend auf ihre Teller. Elaine atmete tief durch, sah ihren Mann halb verärgert, halb dankbar an, dann widmete sie sich wieder der Nahrungsaufnahme. Auf ihren Appetit hatte der Streit keine dämpfende Wirkung gehabt. Die zwei Ernestos begannen, mit ihr und den indianischen Mädchen zu plaudern. Langsam kehrte wieder Frieden ein, doch der alte mexikanische Herr stand bald auf, um zu verkünden, dass seine Frau und er müde seien. Der Abschied fiel ein wenig kühl aus, fand Alice, und die noch halb vollen Teller wurden von einem der indianischen Mädchen rasch in die Küche getragen.
Um die Stimmung zu heben, holte Frederick Palmer eine Flasche Whisky und schenkte den Gästen großzügig ein. Während die Männer damit beschäftigt waren, die Gläser zu leeren, führte Elaine Alice in ein kleines Nebenzimmer, wo sie ihr
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