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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Schokolade floss in die Becher, die unter den Reisenden die Runde machten. Alice staunte, denn obwohl sie in ihrem Leben viele Süßspeisen zu sich genommen hatte, hatte keine ihren Gaumen derart betört wie dieses herbsüße Getränk. Dr. Scarsdale erklärte, dass Schokolade erst nach der Eroberung Lateinamerikas auch in Europa bekannt wurde. Aurelia Duarte nahm diese Ausführungen ohne Missbilligung zur Kenntnis. Alice freute sich erstmals von Herzen, dass Kolumbus einst eine so weite, abenteuerliche Reise gewagt hatte.
    Minatitlán war eine mittelgroße Handelsstadt, an einem Fluss namens Coatzacoalcos gelegen. Alice brauchte mehrere Versuche, bis sie dieses Wort fehlerfrei aussprechen konnte. Laut Dr. Scarsdale stammte es aus der Sprache der Azteken und bedeutete »Ort, an dem sich Schlangen verbergen«. Das klang nicht unbedingt einladend, doch ihr gefielen die bunt bemalten Häuser, Palmen und farbenfrohen Verkaufsstände, an denen sie vorbeizogen. Wieder ermahnte sie sich, dass sie sparsam sein musste. Dr. Scarsdale hatte bisher alle Unterkünfte bezahlt, doch sie war entschlossen, ihn irgendwann dafür zu entschädigen. So beschämend es auch war, sie musste froh sein, dass ihr Patricks Erbe zustand, denn sonst hätte sie sich diese Reise niemals leisten können.
    Sie hielten vor einer kleinen, aber gut besuchten Herberge im Stadtkern. Alice und Aurelia bezogen ein gemeinsames Zimmer mit Fenster zum Hafen, wo sie Segelschiffe und kleine Kähne vorbeiziehen sahen. Für Dampfer war die Stadt nicht erreichbar, da die Zufahrt auf dem Fluss zu eng war.
    Kurz nach ihrer Ankunft sorgte ein heftiger Regenguss für Abkühlung. Sie bekamen ein Mahl aus Bohnen, Tortillas und Bier serviert, das in einem überfüllten, verrauchten Speisesaal eingenommen wurde. Anschließend wollte Dr. Scarsdale sich zurückziehen, um seine Aufzeichnungen über die erworbenen Tonfiguren fertigzustellen. Juan Ramirez war von ein paar anderen mexikanischen Männern am Tisch in eine Unterhaltung verwickelt worden und nahm deren Einladung zu einem Kartenspiel an. Alice schluckte enttäuscht. Nun, da das Prasseln des Regens nachgelassen hatte und frische Luft durch geöffnete Fenster hereinwehte, sehnte sie sich nach Bewegung, doch sie wagte es nicht, allein in die fremde Stadt aufzubrechen.
    »Wir werden kurz in die nächste Kirche gehen, um Gott für den bisher problemlosen Verlauf der Reise zu danken«, meldete sich Aurelia Duarte nach kurzer Rücksprache mit Benito zu Wort. Alice blickte auf. Für gewöhnlich mied sie Kirchenbesuche, doch war die Möglichkeit, wenigstens einen kurzen Blick auf die Stadt zu werfen, allzu verlockend.
    »Ich würde gern mitkommen«, bot sie sich an. Aurelia nickte zufrieden, als hätte sie ihre Mitreisende bisher des Atheismus verdächtigt und sei nun zu ihrer Erleichterung eines Besseren belehrt worden.
    Die Kirche San Pedro war ein weiß und dunkellila bemaltes Gebäude von jener fast kindlich anmutenden, lieblichen Buntheit, die Alice am hiesigen Baustil gefiel. Doch kaum hatte sie die Kirche betreten, überkam sie plötzlich Unbehagen. Es musste an Harrys Einfluss liegen, vielleicht auch an der protestantischen Erziehung durch Tante Grete, dass sie dieses Übermaß an Farbe und religiöser Symbolik als aufdringlich empfand. Den Anblick eines sich in Todesqualen am Kreuz windenden Jesus kannte sie bereits, doch hier war er von einer lebensechten, barbarisch anmutenden Deutlichkeit, die sie an blutige Menschenopfer denken ließ. Rasch wandte sie den Blick ab und musterte den von zahlreichen Heiligenfiguren und betenden Menschen überfüllten Raum. Aurelia Duarte hatte sich bereits auf eine der Kirchenbänke gesetzt und andächtig die Hände gefaltet. Viele andere Frauen und auch ein paar Männer knieten vor dem Altar oder den einzelnen Schreinen, murmelten Gebete und zündeten Kerzen an. Alice fühlte sich, als sei sie in eine Welt geraten, die sich ihr niemals erschließen würde. Sie konnte sich nicht erinnern, irgendwann in ihrem Leben völlig zweifelsfrei an einen Gott geglaubt zu haben.
    »Dios! Misericordia Dios!«, krächzte eine winzige, sich auf dem Boden krümmende Frau, deren Kopf immer wieder die hölzernen Füße einer Heiligenfigur berührte. Alice musterte ihre schmutzigen Lumpen und die verklebten, grauen Strähnen unter dem ausgewaschenen Kopftuch. Was diese Frau brauchte, waren ein Bad und saubere Kleidung, nicht die Gnade irgendeines Gottes, dachte sie verärgert. In ihrem Kopf lachte

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