Der Duft des Regenwalds
Rosario nicht wirklich überrascht von ihrem mangelnden Sinn für praktische Fragen.
»Schon gut, ich werde morgen eine Dienerin beauftragen, sich darum zu kümmern. Hans hatte lange einen alten Kater, den er ständig im Haus haben wollte. Da hatten wir leider auch manchmal Probleme mit Flöhen. Und dann diese jungen Indio-Frauen, die aus den Dörfern kommen und eine Stelle als Hausmädchen suchen, die muss ich auch immer erst entlausen lassen.«
Rosario hatte sehr gelassen gesprochen, als wolle sie Alice das Gefühl geben, keine unnötigen Schwierigkeiten zu machen. Gleichzeitig war etwas in ihrem Blick, das maß, abschätzte und urteilte, und zwar nicht unbedingt zu Alice’ Gunsten. Als die Tür hinter der Hausherrin zufiel, war Alice erleichtert. Diese Frau war anstrengend. Sie glaubte nicht, jemals ihre Freundschaft gewinnen zu können, doch sie ahnte, dass es keine gute Idee wäre, sie sich zur Feindin zu machen. Gott sei Dank hatte sie die Geistesgegenwart besessen, für die Reise ihren langen, dunkelblauen Rock und eine weiße Bluse aus dem Koffer anzuziehen. Rosario Bohremann hätte ihre Indio-Kleidung sehr wahrscheinlich für peinlich und unpassend gehalten.
Alice setzte sich auf das Bett. Irgendwo hier in diesem Zimmer lag alles, was noch von Patrick geblieben war, aber sie fühlte sich außerstande, danach zu suchen.
»Wir schlafen jetzt erst einmal, und morgen sehen wir uns um«, sagte sie zu Mariana, die sofort herbeilief, um ihr die Hände abzulecken. »Du wirst von den Hausdienern wahrscheinlich gründlich geschrubbt werden, aber das ist notwendig.«
Alice streifte ihre Schuhe ab und streckte sich auf dem Bett aus, um auf das Abendessen zu warten. Es fiel ihr schwer, die Augen offen zu halten. Als eine der Indio-Frauen in schwarzem Kleid und weißer Schürze erschien, um ihr einen Teller mit scharfer Salami, Brot und Früchten hinzustellen, schaffte sie es gerade einmal, zwei Pfirsiche zu verspeisen, während Mariana sich über die Salami hermachte. Dann fiel Alice trotz allen Unbehagens, im Zimmer ihres toten Bruders zu liegen, in einen tiefen Schlaf.
Sie schlief sehr lange. Der Raum hatte nur eine Fensteröffnung zum Patio, vor der sie die schweren Vorhänge zugezogen hatte. Ein paar spärliche Sonnenstrahlen zeichneten helle Streifen auf die Fliesen, als sie endlich die Augen aufschlug. Draußen kreischten die Papageien. Sie griff nach einem weiteren Pfirsich, denn nun spürte sie, dass sie am Vortag mit einem fast leeren Magen ins Bett gegangen war. Mariana saß vor der Tür und sah sie mit großen Augen erwartungsvoll an. Alice ahnte, was der Hund sich wünschte, zog rasch ihren Rock und eine einigermaßen saubere Bluse an, um dann unauffällig die Tür aufzuschieben. Mariana schoss wie ein Pfeil hinaus, rannte die Stufen hinab und lief im Patio hinter einen Kübel mit Pflanzen. Dort hockte sie sich auf eine Weise hin, die nur eine mögliche Erklärung zuließ. Alice bemerkte ein paar missbilligend dreinblickende Dienstboten, doch als sie auf die Balustrade trat und darauf hinwies, dieser Hund gehöre ihr, konnte Mariana in Ruhe ihre Notdurft verrichten. Insgesamt lief alles recht glimpflich ab, Mariana scharrte noch etwas herum, trank aus einem Eimer und lief dann wieder zurück, um zufrieden auf dem Teppich Platz zu nehmen. Alice erhielt indessen eine mit Wasser gefüllte Schüssel, ein Stück Seife und zwei Handtücher von jener Bediensteten, die gestern auch das Essen gebracht hatte.
»Die Señora erwartet Sie unten zum Frühstück«, sagte sie leise in einem leicht gebrochenen Spanisch. Die kleine Frau wirkte in der Kleidung eines europäischen Dienstmädchens plump, die landesübliche bunte Tracht hätte vermutlich besser zu ihr gepasst. Es fiel Alice schwer, ihr genaues Alter einzuschätzen. Die meisten dieser Frauen verwandelten sich sehr schnell in faltige Wesen mit sonnenverbrannten Gesichtern und schwieligen Händen.
»Wie heißt du?«, fragte sie, als die Bedienstete sich entfernen wollte.
»Marcella, Señorita«, erwiderte die Frau erstaunt.
Die Tür fiel schnell zu.
Alice hatte sich so präsentabel wie möglich gemacht und lief etwas ratlos die Stufen in den Patio hinab, denn sie hatte keine Ahnung, wo Rosario Bohremann auf sie wartete. Dienstboten winkten sie zu ein paar Pfirsichbäumen, unter denen ein Tisch und mehrere Stühle standen. Es war ein angenehm warmer Tag, wie geschaffen dazu, im Freien zu sitzen. Rosario trug ein weißes Kleid, das am Saum mit ein paar
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