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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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Familie, wenn er mich mit Marjorie und seinen neuen Kindern abholen kam. Nur dass ich da immer das Ende dieser Abende herbeisehnte, während ich jetzt geradezu Angst davor hatte. Zwar sah ich nur den Hinterkopf meiner Mutter, aber ich wusste, dass sie wieder so eigenartig fremd aussah. Als sei sie glücklich.
    Als wir in die Stadt fuhren, sprach keiner darüber, dass Frank von der Polizei gesucht wurde. Trotzdem war ich nervös. Frank trug seine Baseball-Kappe, und es kam mir vor, als habe er sie noch tiefer in die Stirn gezogen als gewöhnlich. Ich wusste aber auch, dass seine Tarnung zum größten Teil aus uns bestand. Niemand, der nach Frank Ausschau hielt, hätte ihn in Gesellschaft einer Frau und eines Kindes vermutet. Außerdem würde er sowieso im Wagen bleiben. Sein Hinken war ziemlich auffällig.
    Als wir auf dem Parkplatz am Supermarkt hielten, drückte meine Mutter mir die Geldscheine in die Hand, und Frank sagte mir, was er alles brauchte: Rinderhack, Pommes frites,
Butter, Eiscreme für den Pie. Und eine Zwiebel und ein paar Kartoffeln für eine Suppe.
    Und einen Rasierer, fügte er hinzu. Eigentlich benutze er ja lieber ein Rasiermesser, aber so was hätten sie beim Safeway garantiert nicht.
    Ich sah das Bild vor mir: Frank, der den Arm an den Hals meiner Mutter presste und ihr ein Messer an die Wange hielt. Jetzt war es ein Rasiermesser. Ein Blutstropfen, der ihr übers Gesicht rann. Und sie, die mir sagte, Mach alles, was er von dir will, Henry.
    Und Rasierschaum, sagte er. Ich möchte gut aussehen für euch, nicht wie ein Penner.
    Oder ein entflohener Häftling. Aber das sprach niemand aus.
    Die Leute im Laden deckten sich alle mit Lebensmitteln für das Wochenende ein. Ausnahmsweise hatte ich diesmal nur ein paar Sachen aufs Band zu legen und kam nicht wie sonst mit einem ganzen Einkaufswagen voller Tiefkühlgerichte und Suppendosen an. Die Kassiererin erkundigte sich dann immer, ob wir einen Hurrikan oder einen Atomwaffenangriff erwarteten.
    Die Frau vor mir in der Schlange unterhielt sich mit ihrer Freundin über die Hitze. Es sollte wohl bis zu vierzig Grad heiß werden, sagte sie jetzt. Eigentlich sollte man zum Strand fahren, aber der Verkehr würde bestimmt fürchterlich sein.
    Hast du deine Einkäufe für den Schulanfang schon gemacht, Janice?, fragte die Freundin.
    Erinnere mich nicht daran, antwortete die. Drei Jeans für
die Jungs, ein paar Hemden und ein bisschen Unterwäsche, und ich war siebenundneunzig Dollar los.
    Die Kassiererin war in der vergangenen Woche in der Stadt gewesen. Ihr Mann hatte sie ausgeführt, und sie hatten Cats gesehen. Wissen Sie was?, sagte sie. Die Karten waren so teuer, für das Geld hätten wir zuhause bleiben und Fernseh schauen und uns so ein Klimagerät anschaffen können.
    Der Mann hinter mir hatte den Tag damit zugebracht, die Tomaten aus seinem Garten einzukochen. Jetzt kaufte er Einmachgläser. Eine Frau mit Baby sagte, sie wolle das Wochenende mit ihrem Kind im Plantschbecken verbringen.
    Habt ihr von dem Typen gehört, der im Gefängnis aus dem Fenster gesprungen ist?, fragte die Frau mit den Einkäufen für den Schulanfang ihre Freundin. Ich seh immerzu sein Gesicht vor mir.
    Wahrscheinlich ist der schon fast in Kalifornien, antwortete die Freundin.
    Am Ende kriegen sie ihn, sagte die andere. Ist immer so.
    Das Schlimmste ist ja, dass solche Leute nichts mehr zu verlieren haben, erwiderte die andere. Die sind zu allem bereit. Für so jemanden ist ein Menschenleben keinen Dollar mehr wert.
    Dazu hatte ihre Freundin noch etwas zu sagen, was mir aber entging. Ich war vorgerückt, bezahlte meine Sachen und lief damit nach draußen. Einen Moment lang sah ich unseren Wagen nicht, entdeckte ihn dann aber doch. Frank hatte an der Seite geparkt, bei der Möbelabteilung. Da stand eine dieser Holzschaukeln, ein Sonderangebot, weil die Saison
zu Ende ging. Die beiden hatten sich hineingesetzt, und Frank hatte den Arm um meine Mutter gelegt. Der Motor des Autos war aus, aber der Schlüssel steckte, so dass die beiden noch Radio hören konnten. Es lief »Lady in Red«.
    Sie merkten gar nicht, dass ich wieder da war. Ich verkündete, dass wir lieber nach Hause fahren sollten, bevor das Eis geschmolzen war.

    Es war noch gar nicht so spät, als wir den Pie gegessen hatten, aber ich sagte den beiden, ich sei müde. Dann ging ich in mein Zimmer und stellte den Ventilator an. Es war neun Uhr abends und immer noch so heiß, dass ich mich bis auf die Boxershorts auszog

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