Der Duft des Sommers
gewesen war.
Ich hätte mich freuen oder stolz sein können, aber für mich war das alles nur ein neuer Quell der Peinlichkeit. Wenn das nun jemandem auffiel? Wenn ich in der Schule unterwegs war, lebte ich in ständiger Angst vor hübschen Mädchen, Mädchen mit runden Hintern, Mädchen, die gut rochen, Mädchen mit Busen. Ich hatte einmal einen Artikel darüber gelesen, dass man Bankräuber fangen konnte, indem man die Dollarscheine mit einer Chemikalie behandelte, die aktiviert wurde, sobald man die Banknoten aus der Tasche nahm. Dann sprühte irgendeine Druckluftflasche dem Bankräuber blaue Farbe ins Gesicht, die sich nicht mehr abwaschen ließ. So ein Gefühl hatte ich bei meinen Erektionen: der nicht zu verhehlende Beweis meiner erbärmlichen Halb-Männlichkeit.
Aber das war bei weitem noch nicht alles. Am schlimmsten fand ich nicht mal, was mit meinem Körper passierte, sondern was sich in meinem Hirn abspielte. Jede Nacht träumte ich von Frauen. Ich hatte so wenig Ahnung von Sex, dass ich gar nicht wusste, was ich mir vorstellen sollte, obwohl ich wusste, dass es eine Stelle am Körper von Frauen gab, in die ich mein frisch gesprossenes Organ hineinbohren konnte. Auf die Idee, dass ein Mädchen sich das von mir wünschen könnte, war ich noch gar nicht gekommen, weshalb all diese Szenen von Scham und Schuldgefühlen begleitet waren.
Einige Träume wiederholten sich endlos: Bilder von Mädchen aus meiner Schule, aber leider nie von der Cheerleader-Mannschaft. Die Mädchen, die ungeladen meine Träume bevölkerten, waren diejenigen, die sich ebenso unwohl in ihrer Haut zu fühlen schienen wie ich selbst: Mädchen wie Tamara Fisher, die in der fünften Klasse, als ihre Mutter starb, dick geworden war und nun außer ihrem Bauch und ihren breiten Schenkeln auch noch schwere Brüste mit sich herumschleppte, die aussahen, als gehörten sie zu einer alten Frau und nicht zu einer Dreizehnjährigen. Dennoch hätte ich mir die gerne angeschaut. Ich stellte mir oft vor, wie ich versehentlich in den Umkleideraum der Mädchen spazierte, wo einige grade beim Umziehen waren. Oder dass ich eine Klotür öffnete und sah, wie Olivia Brustein mit runtergelassener Hose auf der Toilette saß und gerade die geheimnisvolle Stelle zwischen ihren Beinen betupfte. Die Figuren in meinen Träumen waren selten glamourös oder verführerisch, sondern eher kläglich und bedauernswert. So wie ich.
In einem Traum, den ich immer wieder hatte, rannte ich um einen Pfosten auf einem Feld – oder vielleicht war es auch ein Baum. Ich verfolgte Rachel McCann, die nackt war. Aber es gelang mir nicht, sie einzuholen, und so liefen wir ständig im Kreis. Ich sah ihren Hintern und die Rückseite ihrer Beine, konnte aber weder einen Blick auf ihre Brüste erhaschen (die klein waren, mich aber dennoch interessierten) noch auf das, was weiter unten lag, diesen ebenfalls namenlosen Ort, an den ich ständig denken musste.
In diesem Traum hatte ich – oder vielmehr die Figur, die ich sein sollte – eine Idee. Ich blieb unvermittelt stehen und wandte mich in die Gegenrichtung. Nun würde Rachel McCann auf mich zulaufen, und ich könnte sie von vorne sehen. Sogar im Traum sagte ich mir, wie schlau das von mir war. Was für ein toller Einfall.
Der aber trotzdem nie funktionierte. An dieser Stelle des Traums wachte ich nämlich jedes Mal auf, und meist waren meine Laken dann feucht von meinen peinlichen Sekreten. Die verbarg ich vor meiner Mutter, indem ich die Laken umdrehte oder sie ganz unten in den Wäschekorb stopfte. Oder sie mit Wasser abtupfte und ein Handtuch auf die Stelle legte, bis sie getrocknet war.
Schließlich verstand ich, warum Rachel nie auf mich zugelaufen kam und mir ihre Nacktheit offenbarte. Mein Gehirn wusste gar nicht, wie dieses Bild hätte aussehen können. Brüste kannte ich zwar, allerdings (mit Ausnahme dieses einmaligen Anblicks von Marjorie) nur von Fotos. Aber was das andere Teil anging: Leerstelle.
So viel Zeit ich auch neuerdings damit verbrachte, an
Mädchen zu denken, so wenig Kontakt hatte ich mit ihnen in der Schule. Ich hatte kaum mehr mit einem Mädchen gesprochen als Kannst du mir mal das Arbeitspapier zurückgeben. Ich hatte keine Schwester und keine Cousine. Ich mochte das Mädchen aus Happy Days und die eine Darstellerin aus Drei Engel für Charlie – keine von den beiden, die alle anderen am hübschesten fanden, sondern die mit den braunen Haaren, Jill. Olivia Newton-John gefiel mir und ein Playmate
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